Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
wieder er selbst geworden.
Er wusste noch nicht, wie. Noch war nur ein Bruchteil seines Geistes erwacht, ein Fünkchen seiner ehemaligen Macht, denn auch für einen Gott waren die Fesseln der Zeit nicht so leicht abzustreifen, die er Millionen Jahre lang getragen hatte. Aber er spürte zumindest, dass das, was über ihm vorging, das Zittern und Lärmen, das Toben und Pflügen – der Kampf – irgendwie damit zu tun hatte.
Mit einer behäbigen Bewegung zog der Koloss die Krallen aus dem Schlamm des Meeresgrundes, richtete den Blick seiner gewaltigen gelben Augen auf den zerborstenen, Meeresspiegel über ihm und begann emporzusteigen …
Die Kammer war klein, hatte die Form eines Würfels und musste tief unter der Erde liegen. Ich glaubte das Gewicht der zahllosen Tonnen Fels und Lava, die auf ihrer gesprungenen Decke lasteten, beinahe körperlich fühlen zu können.
Vor einer halben Stunde – so schätzte ich – war ich hierher gebracht worden; durch eine Tür, die so spurlos mit dem Fels verschmolzen war, dass ich nicht einmal einen Spalt davon wiederfand, und seither war die Hitze unentwegt gestiegen. Der Raum musste sich unter dem Vulkan befinden, in der Nähe seines feurigen Herzens. Dann und wann bebten die Wände und einmal hatte sich die gesamte Kammer für einen winzigen schrecklichen Moment verschoben, dass ich dachte, die Decke würde herunterstürzen und mich unter sich begraben.
Ich erinnerte mich kaum, wie ich hierhergekommen war. Barlaam – besser gesagt, der junge Magier, dessen Körper er sich bediente – hatte mich niedergeschlagen und das Nächste, worauf ich mich halbwegs besann, war das Gefühl des Fliegens gewesen; kein Fliegen, wie es die kristallenen Scheiben ermöglichten, sondern ein körperloses Gleiten und Schweben, als würde ich von unsichtbaren Händen gehalten. Irgendwann danach war ich in diese Kammer gebracht worden und erst später, nachdem mich meine beiden Bewacher allein gelassen hatten, waren meine Erinnerungen nach und nach zurückgekehrt.
Mein erster Impuls war gewesen, einen Ausweg aus dieser finsteren Kammer zu finden. Aber natürlich gab es keinen. Und seitdem wartete ich; worauf, wusste ich selbst nicht genau zu sagen. Wahrscheinlich auf den Tod.
Oder Schlimmeres.
Ich wusste kaum mehr, wieviel Zeit vergangen war, als sich mein Gefängnis endlich öffnete und ich abgeholt wurde; von dem gleichen Mann, der mich hierhergebracht hatte. Sein Blick war jetzt klar und seine Stimme wieder so, wie sie sein sollte – die Stimme eines jungen Mannes, nicht die eines Greises. Barlaam hatte seinen geistigen Einfluss gelockert. Ich wusste allerdings nicht, ob ich mich sehr darüber freuen sollte.
Mit wenigen, knappen Worten befahl mir der Magier, ihm zu folgen, und unterstrich seinen Befehl mit einem wilden Herumfuchteln seines Silberstabes – eine Geste, die mir höchst lächerlich vorkam, denn hätte er die Waffe hier unten abgefeuert, wären wir beide in Sekunden gegrillt worden.
Obwohl ich es kaum noch für möglich gehalten hatte, stieg die Hitze noch weiter an. Mein Bewacher führte mich durch ein Labyrinth finsterer, größtenteils runder, mit glatten, wie mit einer Schicht schwarzen Glases überzogenen Stollen, die meisten davon so niedrig, dass wir nur stark gebückt gehen konnten. Ich kannte diese Art von Gängen nur zu gut: es waren die Stollen, die die schrecklichen Ssaddit in den Fels brannten.
Mein Verdacht schien sich zu bestätigen. Wir mussten uns wirklich im Krakatau befinden, unmittelbar im Herzen des Berges, so unglaublich die Vorstellung schien. Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie das obere Drittel des gigantischen Berges weggesprengt worden war, in einer Explosion, die die Vorstellungskraft eines normalen Menschen wahrscheinlich überfordert hätte – aber hier unten war alles unbeschädigt, als gäbe es da eine unsichtbare, beschützende Macht.
Wir erreichten einen Teil des unterirdischen Labyrinthes, den ich zu kennen glaubte, wenn er sich auch auf furchtbare Weise verändert hatte: wo massiver Fels gewesen war, brodelten jetzt Seen aus roter Lava, hier und da von dunkler Kruste überzogen, die jedoch immer wieder auseinander brach und Flammen und Funken in die Luft spie. Eine ganze Hälfte der gewaltigen Höhle war zu einer bizarren Skulptur aus scharfkantiger schwarzer Lava geworden, erst halb erstarrt und noch knisternd vor Hitze, und die gewaltige steinerne Brücke, über die ich beim ersten Mal gegangen war, war jetzt
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