Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
zwischen den bizarren Felsen zurückblieben und das endlose, bleiche Meer der Wüste begann.
Und von wo der schreckliche Laut heranwehte …
Für einen Moment war ich versucht, meine Gefährten zu wecken, zumindest Bill, der leise schnarchend gleich neben meiner Lagerstätte schlief. Aber dann entsann ich mich der indianischen Wache, die irgendwo in den Felsen auf Posten sein musste.
Vorsichtig bewegte ich mich zwischen den zusammengerollten Gestalten hindurch, setzte mit einem Sprung über eines der erlöschenden Feuer hinweg und näherte mich dem Posten. Deutlich konnte ich seine Silhouette gegen den hellen Grund des Wüstensandes ausmachen; er hockte auf einem Felsen am Ende der Schlucht, eine Decke um seine Schultern geschlagen, und starrte hinaus in die endlose Weite.
»Heda, Freund – ich bin es«, raunte ich ihm halblaut zu, nur um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Ich wusste, dass er meine Sprache ebenso wenig verstand wie ich die seine. Aber einen Indianer zu überraschen, noch dazu von hinten, konnte unangenehme Folgen mit sich bringen. Ein Messer in der Brust, zum Beispiel.
Doch der Mann reagierte nicht auf meine Worte. Auch als ich ihn erreicht hatte und die Hand auf seine Schulter legte, wandte er sich nicht um. Irgendetwas stimmte nicht.
Alarmiert packte ich die Decke und zog sie ihm von den Schultern.
Ich hatte halbwegs erwartet, ihn bewusstlos oder gar tot zu finden, ermordet von der geheimnisvollen, magischen Macht, deren Anwesenheit ich so deutlich spürte.
Nichts von beidem traf zu.
Der Indianer, ein hagerer Bursche mit Hakennase und scharf geschnittenen Zügen, lebte durchaus noch – und er war bei vollem Bewusstsein, wie mir seine weit aufgerissenen Augen zeigten. Sein Brustkorb, durch dessen Haut sich die Rippen überdeutlich abzeichneten, hob und senkte sich in gleichmäßigen Atemzügen.
Aber es war eine Haut so grau wie Stein – und ebenso hart!
Ich stöhnte vor Entsetzen und wich einen Schritt zurück. Instinktiv glitt meine Hand zu dem kleinen indianischen Dolch, den mir Sitting Bull im Berg der Götter geschenkt hatte und den ich seitdem im Gürtel trug.
Der Wächter reagierte mit keiner Bewegung. Sein Blick ging noch immer starr hinaus in eine unendliche Ferne. Und während ich ihn noch fassungslos betrachtete, begann sich etwas tief in diesen starren, dunklen Augen zu regen; ein Funke wie von Glut, pulsierend und immer größer und größer werdend.
Ich zog den Dolch unter dem Gürtel hervor und trat wieder an den Indianer heran – vorsichtig und mit angespannten Muskeln, in jeder Sekunde auf einen Angriff gefasst.
Und trotzdem kam meine Reaktion zu spät! Die versteinerte Hand des Wächters zuckte vor und umschloss das Gelenk meiner Linken wie eine zuschnappende Bärenfalle.
Es war ein reiner Reflex – ich sprang zurück und bohrte die schlanke Klinge des Dolches mit aller Kraft in seinen Arm.
Wenigstens wollte ich es.
Der Stahl brach mit einem hellen, klirrenden Laut dicht unter dem Schaft ab und flog in hohem Bogen davon. Gleichzeitig riss mich der Indianer wieder zu sich heran, sodass ich gegen den Felsen prallte, auf dem er saß. Seine Hand umklammerte mein Gelenk mit stahlhartem Griff und der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen.
Sekundenlang hing ich so da, halb gegen den Fels gelehnt und nur von dem Roten aufrecht gehalten. Dann wandte der Indianer den Kopf und sah mich aus brennenden Augen an.
Und das im wahrsten Sinne des Wortes!
Die Pupillen seiner Augen waren vollends verschwunden und hatten einem gleißenden, pulsierenden Leuchten Platz gemacht. Roter Widerschein erhellte sein Gesicht, als er mich weiter zu sich heranzog und mich anstarrte wie ein Raubtier sein wehrloses Opfer. Seine Züge verzerrten sich zu einer wilden Grimasse der Wut. Und trotzdem glaubte ich für einen Moment, so etwas wie … Enttäuschung darin zu erkennen.
Dann – urplötzlich – ließ er mich los.
Vollkommen überrascht stolperte ich zurück und hob abwehrend die Hände. Aber das war unnötig, wie ich gleich darauf erkannte. Der Indianer machte keine Anstalten, mich nochmals anzugreifen. Das Feuer in seinen Augen erlosch und das Grau seiner Haut wurde fleckig und dunkel.
Und dann öffnete er die versteinerten Lippen, und seine raue, hasserfüllte Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. »Du bist nicht Ta-tan-ka I-yota-ke. Du bist nicht der Mörder.«
Nur diese Worte. Mehr nicht. Er drehte wieder den Kopf und blickte in die Weite der Mojave-Wüste hinaus,
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