Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
Zukunft!
Die Nebel jenseits des Dorfes lichteten sich. Gestalten in blauen Uniformen kamen heran, erreichten die ersten Tipis und näherten sich Sitting Bull. Soldaten des weißen Mannes!
Doch wie sahen sie aus? Der blaue Stoff war blutgetränkt und zerrissen; klaffende Wunden bedeckten Arme und Gesichter. Kraftlos taumelten sie heran, erreichten den Zeremonienplatz – und brachen zusammen, einer nach dem anderen, stürzten in den hellen Staub und wanden sich wie in Qual.
Diese Männer waren keine Sieger. Sie kamen als Todgeweihte.
Dann war es vorbei. Die Vision verblasste und eisige Böen zerschlugen die Nebelschwaden. Sitting Bull wurde fortgerissen, mitgezerrt von den Winden des Jenseits, die ihn zurückbrachten in die Welt der Lebenden. Plötzlich war um ihn herum nur noch Dunkelheit, die Schwärze der ewigen Nacht.
Und dann – ein Licht. Aus weiter Ferne kam es heran schneller und schneller, wurde zu einem gewaltigen, alles verschlingenden Maul. Sitting Bull schrie auf, als feurige Zungen nach ihm leckten, als sich ein Band aus Flammen um seinen Körper schlang und ihn hineinzerrte in dieses schreckliche Maul. Er wirbelte herum, rief mit letzter, verzweifelter Kraft den Namen seines Gottes – und schlug die Augen auf.
Die Priester wichen zurück und senkten ehrfurchtsvoll die Köpfe. Nur Jumping Bull blieb neben ihm hocken und stützte ihn.
»Du bist zurückgekehrt. Den Göttern sei Dank«, sagte er und seine Stimme klang froh und unbesorgt nach all den Stunden, in denen sie um das Leben ihres Häuptlings gebangt hatten. »Hast du mit dem Sonnengott gesprochen?«
Sitting Bull nickte matt. Die Ungeduld seines jugendlichen Bruders gab ihm die Kraft, sich auf die Knie zu erheben und den Blick zur Sonne zu wenden.
»Wakan Tanka hat mir die Zukunft offenbart«, sagte er und seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. »Der weiße Mann ist des Todes …«
Ich erwachte, als mich jemand unsanft bei der Schulter packte und kräftig rüttelte. Die schwere Wolldecke verrutschte und plötzlich kitzelten widerlich helle Sonnenstrahlen meine Nase.
Mit einem lautstarken Niesen fuhr ich auf, blinzelte schlaftrunken in die Runde und gewahrte gegen das grelle Licht einen großen, dunklen Schatten, der sich vor meiner Schlafstatt aufbaute.
»Nun aber hoch mit dir, Junge«, dröhnte eine tiefe, knarrende Stimme überlaut in meinen Ohren. »Aus dir wird nie ein echter Westmann. Bleibt einfach liegen und verschläft den ganzen Morgen! Ich wette, es ist schon nach sechs. Wenn du mich fragst -«
»Niemand fragt dich, Bill«, klang eine zweite Stimme auf, eine glockenhelle Stimme voller Fröhlichkeit und Wärme. Die Stimme von Annie Oakley. »Komm schon und hilf mir mit dem Feuer und lass Bob in Ruhe wach werden.«
Ich gähnte herzhaft und versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, wer ich war und wo ich mich befand. Habe ich schon erwähnt dass ich es als tätlichen Angriff betrachte, wenn man mich vor neun Uhr morgens aus dem Schlaf reißt? Ja? Nun, William Frederick Cody jedenfalls schien es nicht zu wissen. Er lachte herzhaft, gab mir noch einen leichten Tritt mit einem seiner fast hüfthohen Lederstiefel und wandte sich um.
Sein Schatten, der mich bis jetzt vor den grellen Strahlen der Morgensonne bewahrt hatte, wanderte davon und die plötzliche Helligkeit zerriss die letzten Schleier der Schlafes.
Ich fühlte mich wie gerädert und so erschöpft, als wäre ich die ganze Nacht in der Wildnis umhergestreift anstatt zu schlafen. In meinem Kopf schien ein wütender Hornissenschwarm zu hausen und auf meiner Zunge lag ein seltsam metallischer Geschmack wie von Kupfer.
Hatte mich wieder einer dieser furchtbaren Albträume heimgesucht, von denen ich seit Tagen schon geplagt wurde? War ich wieder schweißgebadet erwacht, mitten in der Nacht, von schrecklichen Visionen aus dem Schlaf gerissen?
Doch je mehr ich versuchte, mich an Einzelheiten des Traumes zu erinnern, desto schneller entglitt er mir. Schließlich verdrängte ich den Gedanken mit einem Achselzucken, schlug die Decke beiseite und stemmte mich hoch.
Genauer gesagt: Ich versuchte es. Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Handgelenk und ließ mich aufstöhnen.
Ich fiel zurück und zog mit einem leisen Fluch den linken Ärmel meiner Jacke hoch.
Fassungslos starrte ich auf mein Gelenk herab, für Sekunden unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Gleich unterhalb des Handballens hatte sich meine Haut grün und blau verfärbt und deutlich
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