Hexer-Edition 14: Necron - Legende des Bösen
klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, sich zu bewegen.
»Jetzt, Brüder!«, befahl Balestrano. »Öffnet euch. Öffnet euren Geist!«
Und Hayworthy und die drei anderen Master gehorchten.
Es war grauenhaft.
Sir Rupert Hayworthy wusste hinterher nicht, was er wirklich erlebt hatte, aber es war das mit Abstand Entsetzlichste, dem er jemals ausgesetzt worden war. Irgendetwas griff nach und in seinen Geist, wühlte sich wie eine gigantische glühend heiße Hand durch seine Gedanken und drang bis in die tiefsten, verborgenen Bereiche seiner Seele vor, las seine intimsten Geheimnisse und kramte das Unterste zuoberst.
Und etwas in ihm starb. Hayworthy konnte das Grauen erregende Gefühl nicht anders beschreiben: Das Etwas erfüllte ihn mit Kraft, mit schier unglaublicher, übermenschlicher Stärke, aber es stahl ihm auch etwas dafür, verlangte einen Preis, den er jetzt noch gar nicht abzuschätzen in der Lage war. Irgendetwas, das bisher in ihm gewesen war, sein Leben lang, ohne dass er es auch nur gewusst hätte, war fort, als sich die unsichtbare Riesenhand zurückzog.
Für einen Moment mussten ihm wohl die Sinne geschwunden sein, denn das Nächste, woran der sich erinnerte, war von Schmids starke Hand, die ihn in die Höhe zog. Das Gesicht des Herzoges war dicht vor dem seinen und für einen unendlich kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke.
Im gleichen Moment, in dem er in die Augen des Animal-Masters sah, wusste er, dass es ihm ebenso ergangen war. Von Schmids Augen waren kalt wie Kugeln aus poliertem Stahl und erfüllt von einer Kraft, die unbeschreiblich war. Und die gleiche Kraft pulsierte auch in ihm, ein düsteres, ungeheuer machtvolle Etwas, das sich seinem bewussten Zugriff noch entzog, aber da sein würde, wenn er es brauchte. Bei ihm, bei von Schmid, bei van Velden und auch de la Croix. Was immer ihnen dieses entsetzliche Wesen genommen hatte, es hatte etwas anderes dafür dagelassen. Hayworthy fror plötzlich vor Angst.
Erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, dass es wieder hell geworden war. Das unheimliche schwarze Licht war wieder dem düsterroten Schein der Feuer gewichen und auch die entsetzliche Stille war fort. Durch die dünne Zeltplane drangen jetzt wieder die alltäglichen Geräusche des Lagers herein, sonderbar laut und aufdringlich, als bemühten sie sich, die dämonische Stille zu neutralisieren.
»Was … was war das, Bruder Jean?«, fragte von Schmid. Er sprach schleppend. Ein Ausdruck ungläubigen Entsetzens hatte sich in seine Züge gegraben. Und trotzdem hörte nicht nur Hayworthy den drohenden Unterton in seinen Worten. So, wie er nicht der Einzige war, dem von Schmids rechte Hand auffiel, die sich auf den Schwertgriff gelegt hatte.
Balestrano starrte ihn an. Sein Blick war leer, vollkommen ohne Ausdruck. Langsam streckte er die Hand aus, schloss sie um den schwarzen Stein und trug ihn wieder zu seiner Kiste zurück. Erst, als er ihn hineingelegt und sie sorgsam verschlossen hatte, wandte er sich wieder von Schmid und den anderen zu.
»Ich … ich verlange eine Antwort!«, keuchte von Schmid. »Was hast du getan, Bruder Jean?«
»Etwas, das ich hoffte, niemals tun zu müssen«, antwortete Balestrano halblaut. »Aber mir blieb keine Wahl. Es tut mir Leid, Brüder.«
»Es tut dir Leid?« Von Schmids Stimme zitterte. »Was tut dir Leid, Bruder Jean? Dass du unsere Seelen dem Antichristen verkauft hast?«
Hayworthy fuhr zusammen wie unter einem Hieb. Entsetzt starrte er von Schmid an, dann Balestrano. Aber er brachte keinen Laut hervor.
»Das ist nicht wahr«, stammelte van Velden. »Sag uns, dass … dass es nicht wahr ist. Es war nicht -«
»Es war Baphomet, den ihr gesehen habt, nicht den Teufel. Einen der niederen Dämonen der Hölle«, sagte Balestrano ruhig.
Von Schmid keuchte, fuhr wie unter einem Schlag zurück und starrte das Oberhaupt seines Ordens aus hervorquellenden Augen an. Van Velden erstarrte und auch Hayworthy fühlte sich, als habe man unversehens einen Kübel Eiswasser über ihn ausgegossen. Nur de la Croix stand unbewegt da. Auf seinem Gesicht war nicht einmal wirkliches Erstaunen zu sehen.
»Dann ist es also wahr«, murmelte er. »Alles, was man sich über den Orden der Tempelherren erzählte. Die Geschichten, die man hinter vorgehaltener Hand flüsterte und von denen uns erzählt wurde, es wären Lügen, in die Welt gesetzt, um den Orden zu diskriminieren. Es ist alles wahr!«
»Diese Geschichten sind erlogen!«, sagte Balestrano scharf. »Man sagt,
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