Hexer-Edition 14: Necron - Legende des Bösen
Er teilt sich unentwegt. Das ist Shub-Nigguraths größte Waffe. Er ist verwundbar, vielleicht als einziger der GROSSEN ALTEN, aber eine einzige Zelle reicht, daraus ein neues Wesen entstehen zu lassen. Daher hat er seinen Namen. Er wurde unzählige Male vernichtet und er hat sich unzählige Male wieder erneuert. Wenn es Necron gelingt, die SIEBEN SIEGEL zu vereinen, dann werden aus diesem Plasmasee die Körper der GROSSEN ALTEN entstehen, in die ihr befreiter Geist fahren kann.« Er seufzte. »Aber es würde nichts nutzen, ihn zu vernichten.«
Ich sah ihn fragend an, und wieder huschte ein fast wehleidiges Lächeln über Shannons Züge. »Es ist so schwer zu verstehen«, murmelte er hilflos. »Ich weiß auch nicht viel; nicht mehr, als Necron mir verraten hat, und das war wenig genug, selbst als er mir noch vertraute. Das hier -«, sagte er und wies auf den See, »- ist nicht mehr als vergängliche Materie. Aber es gibt eine …«, er suchte nach Worten, »… eine Art Mutterzelle. Ein Stück des wirklichen Ungeheuers, das irgendwo verborgen ist.«
»Irgendwo?«
Shannon zuckte mit den Achseln. »Hier, in der Burg, in einer anderen Stadt – vielleicht am anderen Ende der Welt. Es muss hierher kommen, um die Wiedererweckung zu vollziehen, aber ich glaube nicht, dass es jetzt hier ist. Du hast den GROSSEN ALTEN schon zu sehr geschadet, als dass sie nicht wüssten, wie gefährlich du bist. Es wird sich verbergen, bis der entscheidende Moment gekommen ist.«
»Ich verstehe«, antwortete ich düster. »Und wenn wir das hier vernichten, dann wird es irgendwo neu entstehen.«
Shannon nickte. »Ich fürchte, ja. Deshalb wäre es nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich, es zu zerstören. Außerdem würde es Necron verraten, wo wir sind.«
»Warum hast du mich dann hierher gebracht?«, fragte ich zornig. »Während wir hier herumstehen, ist Necron vielleicht damit beschäftigt, Priscylla auch noch zu töten.«
»Das wird er ganz bestimmt nicht tun, Robert«, antwortete Shannon. »Und ich habe dich aus einem ganz bestimmten Grund hierher geführt. Ich möchte dir etwas zeigen.«
Etwas in seiner Stimme ließ mich alarmiert aufsehen. Etwas, das mir ganz und gar nicht gefiel. »Und was?«, fragte ich.
»Dies hier«, antwortete Shannon. Und damit ergriff er meine Hand, so schnell, dass ich keine Gelegenheit mehr fand, mich zu widersetzen.
Und ich sah.
Es war genau wie die Male zuvor, als ich durch Shannons Augen geblickt hatte. Die Welt kippte um, aus Weiß wurde Schwarz, aus Dunkel Helligkeit, alle Farben waren fort, aber statt ihrer vermochte ich andere Dinge zu sehen, Dinge, die dem normalen menschlichen Auge auf immer verborgen bleiben: die pulsierenden Energielinien des komplizierten Gefüges, das das Universum zusammenhält, und die düsteren, spinnwebartigen Linien magischer Ströme, an denen sich Shannon zu orientieren vermochte.
Aber diesmal war es schlimmer als je zuvor.
Die Halle war durchzogen von Strängen schwarzer, auf entsetzliche Weise pulsierender Stränge, einem irrsinnigen Spinnennetz gleich, aus tausenden und abertausenden einzelner Stränge geflochten.
Und sie alle endeten in dem gewaltigen schwarzen Protoplasmasee zu unseren Füßen.
»Sieh!«, sagte Shannon.
Gehorsam hob ich den Blick und starrte den zuckenden dünnen Energietentakel an, auf den seine ausgestreckte Hand deutete.
Es war, als würde mein Blick von ihm aufgesogen. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Es war wie ein Sturmwind, der mich packte und mit sich riss, in einer rasenden, unglaublich schnellen Fahrt, wie auf einer außer Kontrolle geratenen Bergwerkslore.
Die Halle sackte unter mir weg, dann war ich plötzlich wieder in einem anderen Teil der Burg, durchquerte Räume und Hallen und Gänge – und dann stand Necron unter mir.
Und neben ihm -
Der Anblick war so entsetzlich, dass ich aufschrie und mich mit aller Gewalt aus Shannons Griff losriss. Ich taumelte zurück und wäre um ein Haar in die schwarze Gallertmasse gestürzt. Shannon wollte mir aufhelfen, aber ich schlug seine Hand beiseite, schrie abermals wie unter Schmerzen auf und krümmte mich am Boden.
Das kann nicht sein!, hämmerten meine Gedanken. Es durfte nicht wahr sein! Nicht nach allem, was geschehen war.
Und trotzdem wusste ich, dass es so war. Das Bild, das ich gesehen hatte, entsprach der Realität.
Necron.
Necron, der hoch aufgerichtet in einer winzigen Kammer stand, neben einem Tisch, auf dem ein aufgeschlagenes Exemplar des NECRONOMICON
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