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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ausstreckte und durch den ganzen Bezirk wandern ließ.
    »Ich habe ihn«, murmelte er nach einer Weile. »Er ist ganz in der Nähe. Und er kommt auf uns zu!«
    Ich fühlte leise Furcht in mir aufsteigen, als ich mich hastig umsah und die finsteren Schatten zwischen den Häusern und Baracken zu unheimlichem Leben erwachten.
    Deine Phantasie geht mit dir durch!, schalt ich mich selbst einen Narren. Ruhig Blut jetzt!
    Gurk saß noch immer regungslos da und horchte angestrengt in die Stille der Dämmerung. Ich ging vor ihm in die Hocke.
    »Wie weit ist er noch entfernt?«, fragte ich leise. »Hat er uns bemerkt?«
    Gurk löste sich aus der Starre und kugelte von seinem Stein herunter. »Ich weiß es nicht genau«, beantwortete er gleich beide Fragen zu meiner vollsten Unzufriedenheit. »Wird wohl gleich auftauchen.«
    »Dann schnell«, sagte ich und stemmte mich wieder in die Höhe, zog die Zeitungsnotiz, die ich der Times entnommen hatte, aus meiner Westentasche und warf einen kurzen Blick darauf. In der oberen Hälfte des Blattes prangte die schon bekannte Meldung von den mysteriösen Leichenrauben. Darunter, etwas kleiner, fand ich die Schlagzeile, die momentan größere Bedeutung für mich hatte.
    SCHRECKLICHER MORD AN JUNGER FRANZÖSIN, las ich. TÄTER OFFENBAR EIN GEISTESKRANKER!
    Neben dem Text enthielt der Artikel die Reproduktion einer Fotografie; ein Bild der ermordeten Veronique Rochelle. Ich reichte dem Kobold das Blatt und deutete auf das Foto. »Das ist sie«, sagte ich. »Etwa ein Meter sechzig groß, dunkelbraunes Haar. Ich glaube, sie trug ein … ja, ein weißes, leichtes Sommerkleid. Und einen Seidenschal«, fiel mir wieder ein. Ich hatte das verletzte Mädchen nur für wenige Sekunden gesehen, doch das Bild hatte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt.
    »Knifflig!« Gurk kratzte sich seine Knollennase und drehte das Zeitungsblatt vor seinen Augen hin und her. »Aber nicht unmöglich für Abn el Gurk Ben Amar Chat Ibn Lot Fuddel den Dritten. Mal sehen …«
    Seine Gestalt verschwamm vor meinen Augen. Sein braunes, runzliges Fleisch schien zu einer glatten, klumpigen Masse zu verlaufen, wogte hin und her wie ein prall gefüllter Wasserschlauch. Dann wuchs die unförmige Blase in die Höhe, zog sich an einigen Stellen zusammen und gewann erste Konturen. Ein wellenförmiges Zittern lief durch den unfertigen Körper, dann teilten sich schlauchartige Stränge ab und bildeten Arme und Beine.
    Vier Arme und drei Beine! Und der Kopf verlief zu einem bananenförmigen Etwas mit Segelohren und einer spitzen Schnauze, die in gebogenen Hauern endete …
    »Auch nicht schlecht, was?« kicherte Gurk. »Ein Centopod von Ebene acht.«
    »Lass den Unsinn!«, drängte ich und schlug im Geiste die Hände über dem Kopf zusammen. »Der Golem kann jeden Moment auftauchen, und du -«
    »Schon gut«, trompetete die zahnbewehrte Schnauze ärgerlich und begann sich erneut zu verformen. Und diesmal schälten sich sanfte weibliche Gesichtszüge aus der braunen Masse. Zwei der Arme wurden zu feinem Gewebe, das sich um einen schlanken, wohlgeformten Körper legte und zu Seidenstoff erstarrte. Das dritte Bein wand sich einem Tentakel gleich um die Hüften und stülpte sich mit einem schmatzenden Geräusch trichterförmig um. In der nächsten Sekunde war es zu einem weißen, knielangen Rock geworden.
    »Nun, gefalle ich dir?«, fragte eine sanfte, melodiöse Stimme, und große braune Augen blickten mir scheu entgegen. Kein Zweifel: vor mir stand Veronique Rochelle, von einem hässlichen kleinen Kobold zu neuem Leben erweckt, zu neuer Schönheit. Sie lächelte mir charmant zu und strich sich eine Strähne des langen, seidig glänzenden Haares aus der Stirn. Fast hätte mich ihre Schönheit verzaubert und vergessen lassen, was sie wirklich war.
    Ein Trugbild. Die Imitation einer Toten. Und der Köder für ein Wesen, das tausendfaches Verderben über die Menschen bringen würde, wenn es mir nicht gelang, es in dieser Nacht zu vernichten.
     
    Die aufgeregten Schreie hatten die Sippe bereits alarmiert, noch bevor Petrosch und Lydia die im Halbkreis zusammenstehenden Wagen erreicht hatten. Nur das laut prasselnde Feuer erfüllte noch die Stille der Nacht.
    Etwa dreißig Männer, Frauen und Kinder waren aufgesprungen oder hatten in ihrem Tanz innegehalten und starrten dem jungen, schwarzhaarigen Mann entgegen, der nun durch eine Lücke zwischen den hölzernen Wohnwagen in ihrer Mitte stürmte und ein halb nacktes Mädchen eben

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