Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
Ruderhaus zurückzukehren und dort den Rest der Nacht dem Nebel und einigen Tassen heißem Whisky mit Tee zu überlassen – in genau diesem Verhältnis.
So wandte er sich wieder um und ging zum Ruderhaus zurück, blieb aber noch einmal stehen, als eine Windböe das brackige Wasser des New Yorker Hafens kräuselte und die Nebelfetzen auseinander trieb. Für einen Moment konnte er einen gigantischen, in der Nacht schwarz erscheinenden Umriss vor dem Meer erkennen, einen Koloss von so ungeheuerlicher Größe, dass selbst Straub, der jede Phase seiner Errichtung in allen Einzelheiten mitverfolgt hatte und sogar ein paar Mal drüben auf Liberty Island gewesen war, von seinen Dimensionen noch immer beeindruckt war. Die Freiheitsstatue … Ja, dachte er, dieser Name war passend. Irgendwie erschien ihm die titanische kupferne Frau als das passendste Symbol für das Wort Freiheit, was man sich nur denken konnte.
Hinter ihm polterte etwas auf das Deck und es war ein Geräusch, das so laut und hart und sonderbar metallisch war, dass Straub trotz des eisigen Schreckens, der ihn durchfuhr, eine Sekunde lang wie gelähmt stehen blieb, ehe er überhaupt den Mut aufbrachte, sich herumzudrehen.
Und als er es dann tat, wünschte er sich sehnlichst, es nicht getan zu haben.
Hinter ihm stand die Freiheitsstatue.
Es war völlig unmöglich und wahrscheinlich träumte er oder hatte zu viel Whisky getrunken oder eins über den Schädel gekriegt und lag im Hospital oder im Irrenhaus und phantasierte vor sich hin, dachte er mit mehr als nur beginnender Hysterie – aber hinter ihm stand die Freiheitsstatue!
Sie war nur zwei Meter groß und ihr Körper glänzte in einem unheimlichen, mattgrünen Licht, aber es war eine perfekte Kopie der gigantischen Metallfrau auf Liberty Island.
Und sie bewegte sich!!!
Straub wich mit einem krächzenden Schrei zurück, als die Gestalt einen Arm ausstreckte und auf ihn zutrat. Die Planken ächzten unter ihrem Gewicht und in den bisher ausdruckslosen Augen der kupfernen Lady glomm ein düsteres, böses Feuer auf. Straub spürte die Berührung eiskalter, metallener Finger, sprang instinktiv erneut zurück und fiel rücklings auf die kurze Treppe, die zum Ruderhaus hinaufführte.
Der Sturz rettete ihm das Leben.
Wenigstens für einen Moment.
Die Pranke des eisernen Monsters schloss sich mit einem hörbaren Knirschen dort, wo sein Kopf gewesen wäre, wäre er nicht gestürzt. Straub kreischte, kroch blind vor Angst rückwärts die Treppe hinauf und trat nach der Gestalt.
Ebenso gut hätte er versuchen können, die wirkliche Freiheitsstatue mit einem Tritt aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein dumpfer, hallender Schlag erklang und eine Sekunde später schoss ein entsetzlicher Schmerz durch seinen Knöchel. Straub wimmerte vor Angst, kroch weiter und kam irgendwie ins Ruderhaus und auf die Füße. Die Angst lähmte sein Denken, aber er handelte rein instinktiv, warf die Tür zu und stemmte sich mit der Schulter dagegen.
Einen Augenblick später zerbarst die Tür dicht neben seinem Kopf. Eine grün leuchtende Klaue griff herein und suchte blind nach ihrem Opfer. Straub torkelte zurück, prallte gegen das Ruder und sah aus ungläubig aufgerissenen Augen, wie die Tür von einer fast spielerischen Bewegung des Metallarmes vollends zermalmt und aus den Angeln gerissen wurde. Ein grotesker, mattgrüner Umriss erschien unter der Öffnung. Grausame Augen starrten auf Straub herab. Langsam trat die entsetzliche Gestalt in das Ruderhaus, streckte die Hand nach ihm aus und zögerte noch einmal, ihn zu packen, so als wüsste sie noch nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollte. Dann senkte sich die geöffnete Klaue wieder und stattdessen hob die lebende Statue die andere Hand, in der sie eine metallene Fackel hielt; ganz wie ihr großes Vorbild. Aber mit einem Male war sie nicht mehr aus Kupfer, sondern ganz real. Und sie brannte auch ganz real. Die feuchte Kälte wich von einer Sekunde auf die andere stickiger Wärme und dem Zucken blutig roter Lichtreflexe. Ein Teil des Ruders, neben dem die Kupferfrau stand, begann zu brennen. Kleine weiß glühende Funken sprühten von der Fackel auf den Boden und setzten auch ihn in Brand.
Straub wich vor der entsetzlichen Gestalt zurück, so weit er konnte. Seine Hände tasteten blind umher und bekamen die Whiskyflasche zu fassen. Eine Sekunde lang überlegte er, sie der Gestalt über den Schädel zu schmettern, dann fuhr er herum und schleuderte sie stattdessen durch
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