Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
hätte hören können.
Barrymore erreichte die letzte Tür am Ende des Korridors. Sie war unverschlossen – niemand außer ihm betrat für gewöhnlich dieses Zimmer. Er ging hinein, schloss die Tür hinter sich und trat ans Fenster.
Er blickte hinaus. Undeutlich konnte er im schwachen Mondlicht die Wipfel der Bäume erkennen, hinter denen sich die weite Fläche des Moors erstreckte.
Und er sah noch etwas. Die hell leuchtende Gestalt eines riesigen Hundes, die in weiten Sätzen über den tückischen Sumpf eilte.
Der Höllenhund.
Das Herz John Barrymores klopfte zum Zerspringen. Wahnsinnige, mörderische Hoffnung keimte in seinem Herzen auf wie der Schössling einer giftigen Pflanze.
Ich war es gewohnt, in nächtlicher Dunkelheit meinen Weg zu finden, und so hatte ich keine große Mühe, mich zu orientieren, zumal jetzt auch der Mond des Öfteren hinter seiner Wolkendecke hervorlugte. Ohne Schwierigkeiten fand ich den breiten, befestigten Weg, der zum Schloss der Baskervilles führte.
Der Höllenhund hatte sich nicht mehr hören und blicken lassen. Obwohl er mir zuerst einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte, fiel es mir immer schwerer, ihn als Kreatur von überirdischer Wesensart zu sehen. Fast war ich schon davon überzeugt, dass es für seine Erscheinung eine natürliche Erklärung geben musste, wenn ich auch gegenwärtig nicht zu sagen vermochte, wie eine solche aussehen sollte. Auf alle Fälle war der Fluch der Baskervilles für mich ein Problem zweiter Ordnung. Mein vordringliches Anliegen – hier und jetzt – war Sir Henry Baskerville selbst.
Wie es schien, lag Baskerville Hall in einer kleinen Talmulde, denn die Zufahrtsstraße, die ich entlangschritt, wies eine leichte Abwärtsneigung auf. Alte, teilweise verkrüppelte Eichen und Kiefern säumten den Weg und ihre verwelkten Blätter knirschten unter meinen Füßen. Bald schon konnte ich im Mondlicht die Umrisse von zwei hohen Türmen ausmachen und stand wenig später vor dem äußeren Tor des altehrwürdigen Adelsbesitzes, das von zwei bemoosten Steinpfeilern gehalten wurde. Die Pfeiler wurden von Eberköpfen geschmückt; vermutlich die Wappentiere des Baskerville-Geschlechts. Unmittelbar neben dem Tor befand sich ein kleines Wächterhaus aus schwarzem Granitgestein, das jedoch allem Anschein nach nicht bewohnt wurde. Durch die Gitterstäbe des Tores konnte ich jenseits einer breiten Rasenfläche die eigentlichen Schlossgebäude erkennen.
Ich streckte die Hand nach der Torglocke aus, ließ den Arm dann aber auf halbem Weg wieder sinken.
Was, zum Teufel, sollte ich sagen, wenn ich einem Bediensteten gegenüberstand und nach dem Grund meines Besuches gefragt wurde? Ich komme, um meinem guten alten Freund Henry Baskerville wieder einmal ein Essen zu vergällen? Nicht unbedingt eine ideale Eintrittskarte.
Kurz entschlossen tat ich etwas, das ganz dem Image entsprechen musste, welches Baskerville sich von mir gebildet hatte: Ich kletterte einfach über das schmiedeeiserne Tor.
Obwohl im Schloss eine ganze Reihe von Lichtern brannten, konnte ich doch ziemlich sicher sein, dass niemand auf mich aufmerksam geworden war. Zwischen Tor und Haus erstreckte sich, die Rasenfläche durchschneidend, eine Baumallee, deren Zweige so tief hinunterreichten, dass sie den Einblick vom Schloss her verwehrten.
Immer im Sichtschutz der Bäume bleibend, arbeitete ich mich den Gebäuden entgegen. Hinter dem Stamm der zuvorderst stehenden Eiche machte ich zunächst Halt.
Das Schloss bestand aus mehreren Abteilungen – in der Mitte das wuchtige Haupthaus, mit Efeuranken bewachsen und gesäumt von den beiden schlanken Wehrtürmen, die ich bereits aus der Ferne gesehen hatte, links und rechts davon Gebäudeflügel, offenbar neueren Datums.
Meine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den Mittelteil, insbesondere auf zwei Fenster im ersten Stockwerk, hinter deren Ornamentglasscheiben ich Bewegung wahrzunehmen glaubte. Ein kühner, wenn auch jeder Vernunft Hohn sprechender Gedanke kam mir. Und ganz so, als ob mein Innerstes verhindern wollte, dass die Vernunft doch noch den Sieg davontrug, setzte ich den Gedanken sogleich in die Tat um.
Ich verließ den Schutz des Baumes und huschte in gebückter Haltung zum Hauptgebäude hinüber. Das Mauerwerk wies zahlreiche Risse und Sprünge auf, die die Jahrhunderte in den Stein gegraben hatten und die geradezu für meine Zwecke gemacht zu sein schienen.
Einen Augenblick zögerte ich noch, dann machte ich mich zielstrebig an
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