Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
allerdings waren derartige Anwandlungen fremd. Ich hatte schon schrecklichere Dinge gesehen und erlebt, um mich durch die düstere Atmosphäre einer Moorlandschaft bei Nacht beeindrucken zu lassen.
Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, als ich auch schon zusammenzuckte.
Grausige Töne waren in einiger Entfernung laut geworden. Es begann mit einem tiefen, lang anhaltenden Stöhnen, das aus den finstersten Abgründen der Erde zu kommen schien, ging dann in ein fürchterliches, unendlich jammervolles Seufzen über und endete schließlich in einem Nerven zerfetzenden Heulen. Danach folgte eine kurze Stille, die jedoch sehr bald durch eine neuerliche Sequenz der schauerlichen Laute durchbrochen wurde.
Ich brauchte den Kutscher gar nicht danach zu fragen, um meine Vermutung bestätigt zu finden. Er ächzte auf und hieb mit der Peitsche wie wild auf seine Pferde ein. Ich war mir aber nicht sicher, ob er sie nicht genau in die Richtung trieb, aus der das Heulen und Stöhnen kam.
Und dann sah ich ihn …
Dort drüben, gut dreihundert Yards vor uns, stand er plötzlich auf einem Felsenvorsprung: Angst und Ehrfurcht einflößend wie ein Fürst der Unterwelt, der zur Erde emporgestiegen war.
Und in der Tat musste ich unwillkürlich an Zerberus, den Höllenhund der griechischen Sage, denken. Es war eine in grausigem Gelb aufleuchtende Erscheinung, die aus Tausenden lebender, züngelnder Flammen zu bestehen schien.
Auch mein Kutscher war auf die Feuerbestie aufmerksam geworden. Mit aller Kraft zerrte er an den Zügeln, um die Pferde zum Stehen zu bringen. Die Tiere bäumten sich schrill wiehernd auf und kamen schließlich mit zitternden, schweißnassen Flanken zur Ruhe.
Und gerade so, als ob sich der Höllenhund mit den Schreien der gequälten Tiere zufrieden geben würde, verschwand er mit einem Male von der Felsenspitze, so plötzlich, wie er erschienen war. Dann trat Stille ein; eine Stille, die fast noch schmerzhafter war als die infernalischen Laute zuvor.
Der Kutscher zitterte am ganzen Körper, sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse der Angst verzerrt und in seinen Augen loderte nackte Panik.
»Steigen Sie ab, Mister«, herrschte er mich an. »Keinen einzigen Schritt fahre ich weiter.«
»Hören Sie, Freund, ich habe für diese Fahrt bezahlt«, gab ich entschieden zur Antwort. »Und außerdem ist Ihr Höllenhund längst verschwunden!«
Er schien mir gar nicht zugehört zu haben. »Los, los, machen Sie schon«, drängte er hektisch. »Oder wollen Sie, dass ich Sie hinunterwerfe?«
»Sie überschätzen sich, Freund«, sagte ich warnend.
Da streckte er die Arme aus und wollte nach mir greifen. Ohne große Mühe fing ich ihn ab und packte seine Handgelenke.
»Lassen … lassen Sie mich los«, stöhnte er.
Ich gab ihn wieder frei. Es hatte keinen Sinn, ihn zu einer Weiterfahrt zwingen zu wollen. Er war fast irrsinnig vor Angst und das Risiko, ihn mit einer Hypnose womöglich noch in einen Herzinfarkt zu treiben, war mir zu groß.
»Wie weit ist es noch bis Baskerville Hall?«, fragte ich resigniert.
»Eine Meile vielleicht. Aber selbst wenn Sie mich totschlagen, werde ich nicht …«
»Weiter diese Straße entlang?«
»Noch ein Stück. Dann kommt rechter Hand ein Weg, der zum Schloss führt.«
»Sie sind jeden Penny Ihres Entgelts wert«, stellte ich sarkastisch fest. »Ich werde Sie weiterempfehlen.«
Mit diesen Worten stieg ich vom Kutschbock.
Der Kutscher riss sein Gespann herum und jagte grußlos zum Dorf zurück. Und ich machte mich auf den Weg nach Baskerville Hall.
Beim ersten Versuch hatte John Barrymore keinen Erfolg gehabt. Das erhoffte und gleichzeitig von ihm verabscheute Erkennungszeichen war ausgeblieben. Vielleicht, sagte er sich, war es noch zu hell gewesen. Das Böse erwacht erst, wenn die Dunkelheit ihre Herrschaft über das Land antrat.
Er versuchte es erneut, begleitet von den flehenden Blicken seiner Frau Eliza. Die Gefahr entdeckt zu werden, war sehr gering. Sir Henry hatte sich mit seinen Gästen in die Bibliothek zurückgezogen; die Herrn hatten wohl kaum Veranlassung, dem gemütlichen Kaminfeuer den Rücken zu kehren.
Barrymore nickte seiner Frau noch einmal zu, verließ die Küche und schritt hinauf zur Galerie. Auf leisen Sohlen schlich er den dunklen Korridor entlang, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Dielen unter seinen Füßen knarrten. Aber die verräterischen Geräusche blieben ohne Folgen, die Bibliothek lag zu weit entfernt, als dass man ihn
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