Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
kurzen Korridor entlang und schritt dann die breite Treppe hinab. Und als ich noch auf halbem Wege war, spürte ich es. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn und je weiter ich mich von der Bibliothek entfernte, desto stärker begann ich am ganzen Leibe zu zittern. Das waren … Entzugserscheinungen!
Ich kehrte um und eilte in die Bibliothek zurück … und fühlte im gleichen Augenblick, wie meine Erregung sich wieder legte. Als ich über die Schwelle trat, war nichts von den geheimen Ängsten der letzten Sekunden geblieben.
»Ja«, sagte ich. »Es ist dieser Raum hier, nicht Sir Henry.«
Sherlock Holmes genoss seinen Triumph sichtlich. »Nun, mein Freund, dann brauchen Sie wohl nur noch das passende Buch zu finden und alles wird sich aufklären.« Und nachdenklich fügte er hinzu: »Es muss sich um ein äußerst ungewöhnliches Buch handeln. Ein altes alchimistisches Werk vielleicht?«
»Vielleicht, ja.« Ich zuckte die Achseln. Es lag ganz bestimmt nicht in meiner Absicht, irgendeine Anspielung auf die GROSSEN ALTEN zu machen. Sherlock Holmes hatte seine Welt, ich hatte die meine. Und dabei wollte ich es auch belassen.
Holmes schickte Dr. Watson zum Turmzimmer hinauf, um Sir Henry zurückzuholen. Ich nutzte die Zeit, die noch blieb, um ihn zu fragen, was er eigentlich hier auf Schloss Baskerville tat.
Die Frage hätte ich mir eigentlich sparen können. Sir Henry hatte ihn, auf Empfehlung eines gewissen Dr. Mortimer, kommen lassen, um das Geheimnis des Höllenhundes aufzuklären.
Wenig später betraten Watson und ein hemdsärmeliger Sir Henry die Bibliothek. Als Baskerville mich sah, wurde seine Gesichtsfarbe erst bleich, dann rot vor Wut.
»Sie sind das?«, schrie er mich an.
Sherlock Holmes hatte einige Mühe, das zwischen dem Schlossbesitzer und mir bestehende Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Zu meinem Glück gelang es ihm zu Baskervilles vollster Zufriedenheit. Es wurde also doch noch ein recht interessanter Abend, bei dem ich, zu Holmes’ großer Freude, einiges über den Höllenhund aus erster Hand zum Besten geben konnte und in dessen Verlauf Baskerville mir zusicherte, gleich morgen früh all seine Bücher durchzugehen, um endlich die Ursache für meine mysteriöse Gier zu finden.
Die große Enttäuschung für mich folgte erst später, als wir die Runde vor dem Kaminfeuer aufhoben. Ich blieb, weil dies für meinen inneren Frieden wohl am besten war, allein in der Bibliothek zurück, doch kaum hatte Sir Henry den Raum verlassen, als mich die bekannte Unruhe wieder einem wilden Tier gleich ansprang. Die Bibliothek allein konnte meine »Entzugserscheinungen« in keiner Weise lindern. Wie es aussah, war das obskure Objekt meiner Begierde letzten Endes doch Sir Henry Baskerville persönlich …
Ich verbrachte eine halb durchwachte Nacht, in der ich mich so unwohl fühlte wie ständig in den letzten Tagen. Erst als ich am frühen Morgen mit Sir Henry und den beiden anderen Männern am Frühstückstisch saß – für mich als notorischen Langschläfer ein wahrhaftiges Wunder –, war meine Unruhe schlagartig wie weggeblasen. Vielleicht, dachte ich frustriert, sollte ich Priscylla vergessen und stattdessen um Henry Baskervilles Hand anhalten.
Natürlich war auch Sherlock Holmes über die Wiederkehr des Status quo alles andere als glücklich. Aber er gab sich noch längst nicht geschlagen.
»Wir finden schon noch heraus, was mit Ihnen los ist, Mr. Craven«, versicherte er mir zuversichtlich.
Zunächst jedoch hatte ein anderes, weitaus dramatischeres Problem Vorrang – der Höllenhund. Die Angelegenheit erhielt eine bestürzende Aktualität, noch während wir beim Frühstück saßen: Man hatte wieder einen Toten gefunden! Ein Jäger war zufällig bei seiner morgendlichen Pirsch auf den Leichnam gestoßen.
Zusammen mit Sir Henry, Holmes, Dr. Watson und dem arabischen Leibdiener des Schlossherrn machte ich mich auf den Weg. Wir fuhren nicht mit einer Kutsche, sondern gingen zu Fuß, da das Gelände ziemlich unzugänglich war und sich die Stelle, an der das Opfer lag, ganz in der Nähe von Baskerville Hall befand.
Als wir das Ziel erreichten, eine von Felsbrocken umgebene Senke in unmittelbarer Nähe eines kleinen Sees, erschrak ich bis ins Mark und hatte große Mühe, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Es war der Geruch, der mich alarmierte, ein Geruch, der wie ein Fluch in der Luft hing und den ich nur allzugut kannte.
Protoplasma!
Trotz meiner Bemühungen um äußerliche Ruhe
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