Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
ganze Reise nach Devonshire war nicht unter dem Aspekt kühler und klarer Überlegungen zu betrachten. Unbestimmte Gefühle und Zwänge leiteten mich und sie gewannen auch jetzt die Oberhand. Nein, ich konnte nicht in Coombe Tracey bleiben. Ich musste zu Henry Baskerville, noch in dieser Nacht!
Wenig später hatte ich eine Kutsche gemietet und einen Kutscher dazu. Zumindest glaubte ich das. Doch als ich dem Mann mein Fahrtziel nannte, machte er einen erschrockenen Rückzieher.
»In der Dunkelheit durch das Grimpener Moor? Nicht für alles Geld der Welt!«
»Nun«, sagte ich, »alles Geld der Welt kann ich Ihnen nicht bieten. Aber wie wäre es mit fünf Pfund extra?«
»Nicht einmal für … zehn Pfund, sagten Sie?«
»Fünf, mein Freund.«
»Kommen wir uns entgegen – sieben Pfund und zehn Shilling, einverstanden?«
»Einverstanden.«
Der Mann bestand auf Vorauszahlung – offenbar wollte er ganz sicher gehen. Als ich Anstalten machte in die Kutsche zu steigen, räusperte er sich lautstark.
»Sir, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie neben mir auf dem Kutschbock Platz nehmen?«
»Warum?«
»Vier Augen sehen mehr als zwei.«
Ich hatte zwar das Gefühl, mit meinem Entgelt Anspruch auf eine halbwegs gemütliche Sitzposition erworben zu haben, wollte andererseits jedoch die wohl berechtigten Sorgen meines Fahrers nicht leichtfertig in den Wind schlagen und setzte mich neben ihn. Er ließ die Peitsche knallen und das Gefährt rollte an. Bald lagen das Kopfsteinpflaster und die Lichter von Coombe Tracey hinter uns. Dunkelheit und die ausgefahrene Rinne der Überlandstraße wurden zu unseren Wegbegleitern.
»Vor was haben Sie Angst?«, fragte ich den Kutscher. »Vor dem Höllenhund?«
»Ja«, gab er offen und ehrlich zu.
»Soweit ich gehört habe, droht aber doch nur den Mitgliedern der Familie Baskerville Gefahr.«
»Ich habe anderes gehört. Erst gestern soll ein friedlicher Schafzüchter der Höllenbestie zum Opfer gefallen sein. Und der hatte mit den Baskervilles außer der Luft, die er atmete, nicht das Geringste gemein.«
Das war mir neu. Zumindest hatte Jack Stapleton nichts davon berichtet.
Die ersten Meilen der Fahrt verliefen ausgesprochen eintönig. Mein Kutscher schien ein ziemlich maulfauler Bursche zu sein und gab mir auf meine Fragen meistens nur einsilbige Antworten. Vielleicht ging es ihm aber auch nur darum, sich voll auf die Umgebung konzentrieren zu können, die wir durchfuhren. Viel war allerdings nicht zu erkennen. Die Kutschenlaternen und der Mond vermochten die Dunkelheit kaum aufzuhellen. Die ganze Landschaft kam mir grau in grau vor oder, besser gesagt, schwarz in schwarz.
Wir passierten einige einsam gelegene Gehöfte und Katen und erreichten schließlich, nach mehr als einer Stunde Fahrtzeit, ein kleines Dorf.
»Grimpen?«, erkundigte ich mich.
»Ja«, bekam ich die gewohnt kurz angebundene Antwort.
Und weiter ging die Fahrt, schneller jetzt als bisher. Der Kutscher trieb die Pferde zu größerer Eile an. Als ich ihm einen Seitenblick zuwarf, erkannte ich im Schein der Bocklaterne, dass sein Gesicht einen leicht verbissenen Ausdruck angenommen hatte. Ja, er hatte Angst, große Angst sogar. Wahrscheinlich begann er langsam zu bedauern, dass er von seinem Vorsatz, nicht in der Dunkelheit durch das Grimpener Moor zu fahren, aus purer Geldgier abgewichen war.
Ein bisschen hatte ich sogar Verständnis für ihn. Obwohl von der Szenerie ringsum meist nur schattenhafte Gebilde wahrzunehmen waren, ließ sich ihr wahres Bild doch erahnen. Die Landschaft bestand vorwiegend aus zerklüfteten Hügeln und immer wieder tauchten die Silhouetten von Bäumen und Gesträuchgruppen auf, die mit gespenstischen Fingern nach der Kutsche zu greifen schienen. Dann und wann waren links und rechts die vom matten Mondlicht beschienenen Spiegel sich windender Wasserläufe oder kleiner Seen auszumachen, über die Nebelgespinste hinwegzogen. Mir war klar, dass sich unter den scheinbar so friedlichen Wassern heimtückische Morastmulden und Sumpflöcher verbargen, die tödlicher waren als Treibsand. Eine Aura des Geheimnisvollen, des Unheimlichen lag über allem. Und wenn man sich dann noch, wie es der Kutscher mit Sicherheit tat, ständig vorstellte, dass irgendwo in diesem verwunschenen Land eine teuflische Bestie auf der Lauer lag, die geradewegs den höllischen Gefilden entsprungen war …
Ja, ich konnte die Furcht des Mannes, der neben mir auf dem Kutschbock saß, durchaus verstehen. Mir selbst
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