Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
sicher, ob er einer solchen Spekulation wirklich auf den Grund gehen wollte. Murphy war eines unheimlichen Todes gestorben, das stand fest, und Calhoun hatte nicht die Absicht, ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Dennoch – wenn er auch nur ein einfacher Dorfpolizist war, so konnte er sich von einem gewissen kriminalistischen Ehrgeiz nicht freisprechen. Deshalb entschloss er sich, vorsichtig, ganz vorsichtig, näher auf das Wasserloch zuzugehen.
Ja, seine Nase hatte sich nicht getäuscht. Der Gestank, faulig und penetrant, wurde intensiver, je dichter er an das Wasser herankam. In etwa zehn Meter Entfernung – noch hatte er festen Boden unter den Füßen – blieb er stehen. Angestrengt blickte er über die Oberfläche des Sumpfes hinweg, deren normale Schwärze von der Nachmittagssonne golden gefärbt wurde.
Obgleich – abgesehen von dem Gestank – nichts Außergewöhnliches wahrzunehmen war, fröstelte es ihn plötzlich. Lag es an der unbestimmten Furcht, die er mit einem Male verspürte, oder war es auf unerklärliche Weise wirklich kälter geworden?
Wohl von beidem etwas, erkannte er mit wachsendem Schrecken, und die vagen Angstgefühle wurden stärker und stärker. Weg hier!, rief ihm eine innere Stimme zu. Nichts wie weg! Aber es war bereits zu spät. Es gab kein Entkommen mehr für Constable Vincent Calhoun.
Die Wasseroberfläche explodierte. Ein animalisches, unglaublich böses Brüllen zerriss die Stille und aus dem Wasserloch erhob sich das Gestalt gewordene Grauen.
Während der restlichen Fahrtdauer führte ich eine insgesamt doch recht angeregte Unterhaltung mit meinen neuen Bekannten. Dr. Watson, der Freund und Helfer des Detektivs, entpuppte sich als ein Mann, der – meiner anfänglichen Befürchtung zuwider – doch des Sprechens mächtig war. Er verstand es sogar, wirklich amüsant zu plaudern und bestritt den größten Teil der Konversation. Sherlock Holmes beteiligte sich nur gelegentlich daran; ich vermute, dass er angestrengt darüber nachgrübelte, wieso ich, ein gänzlich Fremder, so gut über ihn Bescheid gewusst hatte. Weitere persönliche Dinge kamen nicht zur Sprache. Ich verspürte keinerlei Neigung, die beiden Männer mit meinen persönlichen Problemen vertraut zu machen, mochten diese nun die GROSSEN ALTEN oder Sir Henry Baskerville betreffen.
Schließlich hielt der Zug in Coombe Tracey, wo sowohl ich als auch Holmes und Watson ausstiegen. Auf dem Bahnsteig verabschiedete ich mich von den beiden und suchte sodann einen der Gasthöfe des kleinen Städtchens auf.
Nach wie vor war ich mir über die Gründe für mein merkwürdiges Interesse an Henry Baskerville vollkommen im Unklaren. Ich war nach Devonshire gekommen, um ihn auf seinem Landsitz aufzusuchen, natürlich. Nur was ich sagen sollte, wenn ich so unerwartet bei ihm auftauchte, war mir noch nicht eingefallen. Ich hatte vor, in dem Gasthaus noch nähere Informationen über Baskerville einzuholen. Die Einheimischen wussten sicherlich mehr über ihn, als in London in Erfahrung zu bringen gewesen war. Und wenn ich Glück hatte, würde ich dabei sogar eine halbwegs einleuchtende Begründung für meinen Besuch entdecken.
Es erwies sich als überraschend schwierig, mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Die Menschen in dieser Gegend waren verschlossen und eigenbrötlerisch. Fremden gegenüber legten sie ein angeborenes Misstrauen an den Tag. Und gerade ich wirkte offenbar sehr fremd auf sie – und das nicht nur wegen meines amerikanischen Akzents, den ich eigentlich recht gut zu kaschieren vermochte, auch wenn Sherlock Holmes ihn auf Anhieb identifiziert hatte.
Alle meine vorsichtig formulierten Fragen bezüglich Henry Baskerville blieben ohne das erhoffte Echo. Die Männer, die ich ansprach, wandten sich einfach ab und auch meine Versuche, sie mir durch ein Bier auf meine Rechnung gewogen zu machen, scheiterten kläglich. Letzten Endes war mir das Glück aber doch hold. Ein Mann in einfacher Kleidung trat an den Tisch, an den ich mich frustriert zurückgezogen hatte, und bedachte mich mit einem freundlichen Gruß.
»Sie interessieren sich für Sir Henry Baskerville, wie ich höre?«, sagte er und blickte mich fragend an.
»Ja«, antwortete ich. »Aber wie es scheint, betrachtet man einen von uns hier als reichlich überflüssig – entweder mich oder den guten Sir Henry!«
Der Mann lachte. »Nehmen Sie es den braven Leuten nicht übel. Sie sind nun einmal etwas … sagen wir, zurückhaltend. Haben Sie etwas
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