Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
nicht für dich getan.«
Ich spürte den Hass in seinen Worten; einen Hass, der den Templern galt. Ich begann mich über die seltsame Persönlichkeit des Fremden zu wundern.
»Mein Name ist Robert Craven. Ich komme aus London«, sagte ich, um das unbehaglich werdende Schweigen zu brechen, das zwischen uns entstanden war.
Der Fremde warf meine ruinierte Jellaba endgültig fort und holte aus seiner Satteltasche einen anderen Überwurf. Er war so dunkel wie der, den er selber trug. Und er strömte denselben, düsteren Hauch aus wie mein Retter selbst.
»Trage ihn mit dem Wissen, Mann aus Inglistan, in der Kleidung dem Schatten des Todes gleich zu sein. Denn so nennt man mich – Sill el Mot.«
Ein Kübel Eiswasser, der plötzlich aus heiterem Himmel über mir ausgegossen worden wäre, hätte mich kaum mehr erschrecken können. Für einen Moment stockte mir der Atem.
»Sill … el … Mot?«, wiederholte ich stockend.
Henry Baskervilles Diener hatte mir von diesem Mann berichtet und ich hatte mich in der umfangreichen Bibliothek von Baskerville Hall näher darüber informiert. Vor mir stand ein Mann, der schon zu seinen Lebzeiten eine Legende geworden war. Niemand wusste seinen wirklichen Namen. Doch wo immer er auch auftauchte, legte sich der Tod wie ein dunkler Schatten über das Land. Deswegen hatten die abergläubischen Bewohner der Wüste ihm auch diesen Namen gegeben: Schatten des Todes.
Sill el Mot galt als erklärter Todfeind der Tempelritter. In den Annalen des Ordens standen viele Brüder verzeichnet, die seinen Pfeilen und seinem Schwert zum Opfer gefallen waren. Der Orden hatte schon oft versucht, Sill el Mot zu jagen. Doch so sehr sie sich auch anstrengten, der Gejagte schien wie von der Wüste verschlungen. Nur die toten Templer, die man von Zeit zu Zeit halb vom Sand begraben fand, zeugten davon, dass er noch existierte und wieder zum Jäger geworden war.
Ich sah mir diese lebende Legende genauer an, spürte die Kraft, die in ihm ruhte.
Und stieß wieder auf dieses unsagbar Fremde in ihm, das mir trotzdem noch irgendwie vertraut vorkam. Auch bei Necron und einigen seiner auserwählten Drachenkrieger hatte ich ähnlich empfunden. Aber eben nur ähnlich.
Die Sagengestalt füllte mir einen weiteren Becher Wasser und fragte mich wie ein fürsorglicher Arzt, ob sie noch etwas für mich tun könne.
»Tun?« Ich zog eine Grimasse. »Wenn ich ehrlich sein soll – ja. Ich habe allmählich genug von der Wüste. Wäre es dir vielleicht möglich, mich zu einem Zeltdorf zu bringen, wo ich ein Kamel und Vorräte kaufen kann? Außerdem bräuchte ich einen Führer, der mich nach Alexandria bringt.«
Sill el Mot hob den Kopf und blickte sinnend in die Wüste hinaus. Irgendetwas ging in ihm vor. Ich spürte förmlich den Kampf, den er mit sich selbst ausfocht. Dennoch war ich mehr als überrascht, als er mir den Kopf zuwandte und sagte: »Ich werde dich selbst nach Alexandria begleiten, Sidi!« Als er diese Worte aussprach, hatte ich das seltsame Gefühl, als wenn gerade dies das Letzte gewesen wäre, was er zu tun beabsichtigt hatte. Doch auf meine magische Fähigkeit, Lügen sofort zu erkennen, konnte ich mich verlassen und die sagte mir klar und deutlich, dass Sill el Mot es ehrlich meinte. Er hatte den festen Willen, mich wirklich nach Alexandria zu bringen.
Sogar lebendig.
Und das war eine Menge mehr, als die meisten anderen Bewohner dieses ungastlichen Landes vorgehabt hatten.
Hendrik van Retten zog den Sattelgurt stramm, streifte seine Panzerhandschuhe über und schwang sich in den Sattel. Mit einer antrainierten Bewegung richtete er sein Schwert und probierte aus, ob es sich leicht genug aus der Scheide ziehen ließ.
Für einen flüchtigen Moment dachte er daran, dass die Menschheit zwar mächtige Waffen wie Panzerschiffe, Kanonen und Schnellfeuergewehre entwickelt hatte. Doch gegen den Feind, dem ihr Angriff gelten würde, stellten noch immer die geweihten Schwerter der Ordensritter die wirkungsvollste Waffe dar.
Für einen kurzen Moment empfand er fast so etwas wie Verwunderung über seine eigenen Gedanken, die so gar nicht zu ihm passten, und für einen noch kürzeren Moment hatte er das entsetzliche Gefühl, dass es da irgendetwas gäbe, irgendeine grausame Macht, die sein Denken steuerte. Aber auch dieser Gedanke entschlüpfte ihm, ehe er ihn wirklich fassen konnte.
Sein Blick schweifte über die gut hundert Reiter, die sich unter der sengenden Sonne der Wüste bereit machten. Vierzig
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