Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
zurückkomme!«
Ich spürte, dass ich Sill el Mots Entscheidung nicht beeinflussen konnte. Er liebte sein Dromedar zu sehr, um ihm bewusst Schaden zuzufügen. Doch mir gefiel der Ton nicht, in dem er das »Besorgen« gesagt hatte. Mein Begleiter dachte bestimmt nicht daran, den Beni Dschaffar das Kamel abzukaufen. Wenn sein Plan schief ging, hatten wir morgen einen blutrünstigen Beduinenstamm auf unserer Fährte.
Es war nicht allein die nächtliche Kälte, die mich zittern ließ, sondern mehr der Gedanke, erneut hilflos in der Wüste allein gelassen zu werden. Sicher, ich hatte mich an dem vergangenen Tag schon zwei Mal mit meinem Ende abgefunden. Aber ich war dem Tod jedes Mal im letzten Augenblick von der Schippe gesprungen und ich hatte keine Lust, dasselbe noch einmal zu erleben. Mein Bedarf an Gefahr war mehr als genug gedeckt. Ich hatte nur noch einen Gedanken, so schnell wie möglich nach Alexandria zu kommen und das erste Schiff zu besteigen, das Richtung England fuhr. Ich stellte mir vor, wie schön es war, mit Howard zusammen in meiner Bibliothek zu sitzen und ein Glas guten Portweins zu trinken.
Diese hoffnungsvolle Überlegung machte Sill el Mots Kamel nun zunichte. Obwohl es idiotisch war, wurde ich ärgerlich. »Was soll ich machen, wenn du aus irgendeinem Grund nicht zu mir zurückkommst?« Meine Stimme klang mehr wie die eines maulenden Schuljungen. Sill el Mot schien es auch so zu empfinden, denn sein Blick wurde zornig. Aber es war ganz und gar nicht jene Art von Zorn, die man einem unerzogenen Kind gegenüber empfindet.
»Niemand kann den Schatten des Todes von seinem Weg abbringen, Mann aus Inglistan. Kein Templer und kein Beni Arab. Merke dir das. Wenn ich sage, dass ich zu dir zurückkehre, so ist dies wie ein Schwur, den ich beim Barte des Propheten und der Kalifen geleistet habe«, wies er mich zurecht.
»Auch bei deinem Barte?«
»Auch bei meinem Bart!« Es klang sehr bissig, als er das sagte, und es lag ein Unterton darin, der mich warnte. Trotzdem wusste ich, dass diese letzten Worte eine Lüge waren. Und auch wieder nicht. Doch mir war nicht klar, wieso. Denn als Sill el Mot erklärt hatte, er würde zu mir zurückkommen, hatte er die Wahrheit gesagt. Zum Teufel, wie konnte man gleichzeitig lügen und die Wahrheit sagen?
Ich spürte, dass ihn ein Geheimnis umgab, ein Geheimnis, dem ich zuletzt sehr nahe gekommen war. Zu nahe für sein Gefühl, denn er hatte mit seiner Rechten zum Griff seines Schwertes gegriffen. Er löste sie jedoch schnell wieder und sah mich streng an.
»Wage es nicht noch einmal, mich zu reizen, Inglistani. Ich habe Menschen getötet, die mir weniger taten!«
Dies war keine Warnung mehr, sondern eine unverschleierte Drohung. Da ich den Mann kämpfen gesehen hatte, besaß ich wenig Interesse, mich mit ihm anzulegen, vor allem nicht aus einem derart sinnlosen Grund.
»Ich möchte mich entschuldigen, Sill el Mot. Du bist der Mann der Wüste und musst entscheiden, was hier richtig und falsch ist!«
»Deine Worte sind klug«, sagte Sill in einem Ton, der mich fast frieren ließ. »Du bist der Fremde hier. Wären wir in Inglistan, so würde ich deinen Rat befolgen, so wie du meinen hier befolgen wirst. Doch verzeih auch mir, denn ich vergaß, dass die Wüste einen Fremden erschreckt und ihn Dinge sagen lässt, die sonst niemals über seine Lippen kommen würden!«
Nachdem wir uns auf diese Weise diplomatisch den kalten Krieg erklärt und ihn gleich darauf wieder beendet hatten, breiteten wir unsere Decken aus und legten uns zum Schlafen nieder. Zuerst hatte ich das Gefühl, auf Dornen zu liegen, so sehr schmerzten meine Verletzungen. Doch dann forderten die Strapazen der vergangenen Tage ihren Tribut.
Die schweren Streitrösser der Tempelritter und die leichten Sarazenenpferde der Mamelucken setzten sich in Bewegung. Der Kampfruf der Kreuzritter: »Gott will es!«, brauste aus fast hundert Kehlen über die Wüste. Hendrik van Retten hörte, wie ein einziger Mameluck ein »Allahu akbar!«, ausstieß. Doch in der Anspannung des Angriffs achteten die Templer nicht darauf. Hätten sie es getan, hätte der arme Kerl einen Augenblick später Gelegenheit gehabt, seine Behauptung zu überprüfen.
Sie kamen dem Gebilde rasch näher. Es war riesig. Hendrik hielt es für größer als die Pyramiden. Dabei lief es nicht spitz zu wie jene, sondern endete in unzähligen Kristallrosetten, in denen sich der Wind fing und eine heulende Begleitmusik zu dem Angriff sang.
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