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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erfüllten und er gekommen ist. Du hast versucht dein Wissen zum eigenen Nutzen anzuwenden und ihn zu töten, ihn, der unsere letzte Hoffnung war. Du hast uns verraten, Mereda. Aus diesem Grund hat der Hohe Rat von Conden beschlossen, dich abzusetzen und mich zur neuen Kreisversteherin des Turmes zu ernennen. Es ist meine Pflicht, das Urteil an dir zu vollstrecken!«
    »Der Hohe Rat?«, kreischte Mereda. »Ich bin der Hohe Rat, du Närrin.«
    Aneh antwortete nicht darauf, sondern trat einen weiteren Schritt auf Mereda zu. Die Zauberin schrie auf und versuchte herumzufahren, aber sofort griffen starke Hände nach ihr und hielten sie fest. Verzweifelt bäumte sie sich gegen den Griff der Krieger auf, aber ihre Kräfte reichten nicht.
    »Das Urteil ist gesprochen«, sagte Aneh. »Es wird vollstreckt.« Bei diesen Worten senkte sie das Schwert und berührte Meredas Kristall mit seiner Spitze. Mereda schrie gequält auf. »Sei verflucht bis in alle Zeiten, du Hexe. Verbannt sollst du sein aus den Türmen von Conden und Ancen. Niemand wird dir mehr Obdach oder Hilfe gewähren, niemand mehr mit dir sprechen, niemand mehr dich kennen!«, sagte Aneh und die umstehenden Krieger fügten im Chor hinzu: »So sei es.«
    Mereda schrie auf, warf sich verzweifelt zurück und fiel, als die Krieger plötzlich ihre Arme losließen. Sie schrie wie in entsetzlicher Qual, wälzte sich auf dem Boden und krampfte die Hände um den blauen Kristall auf ihrer Brust.
    Er war schwarz geworden. Sein Feuer war erloschen.
    Dann, ganz plötzlich, beruhigte sich ihr Toben. Mit umständlichen, fahrigen Bewegungen stand sie auf, starrte erst Aneh, dann mich und dann wieder Aneh an, drehte sich ohne ein weiteres Wort herum und verschwand mit gesenktem Haupt. Die Krieger und Sree, die ihr im Weg standen, wichen so hastig zurück, als fürchteten sie, sich allein durch ihre Nähe zu besudeln.
    Augenblicke später war sie verschwunden. Niemand sah auch nur mehr in die Richtung, in die sie gegangen war.
    Dafür spürte ich, wie sich aller Blicke mit einem Male auf mich konzentrierten. Es war ein sehr unangenehmes Gefühl, obgleich ich ebenso deutlich spürte, dass jetzt keine Feindseligkeit mehr darin lag, sondern …
    Ja – was eigentlich?
    Verwirrt stand ich auf, machte einen unsicheren Schritt auf Aneh zu und setzte dazu an, eine Frage zu stellen.
    Aber ich kam nicht mehr dazu.
    Denn beinahe im gleichen Augenblick, in dem ich mich erhoben hatte, sank Aneh vor mir auf die Knie und beugte das Haupt fast bis zum Boden herab.
    »Herr«, flüsterte sie.
    Und dann, ganz schnell und beinahe lautlos, ließen sich auch die Krieger und Sree zu Boden sinken. Es waren Tausende. Das gesamte Volk von Conden kniete vor mir.
    »Herr«, flüsterten sie, »du bist gekommen. Herr!«
    Das Gefühl von Erleichterung, das ich bisher verspürt hatte, verging. Plötzlich war mir kalt.
    Sehr kalt.

 

     
     
    Der Platz bot einen Anblick des Schreckens. Wo vor Tagesfrist noch eine Stadt gewesen war, erstreckte sich nun ein Ruinenfeld, übersät mit Trümmern, Unrat, Asche und Toten. Die meisten waren nicht menschlich – große haarige Geschöpfe, die an Affen erinnerten, in einfache Kleidung gehüllt: Sree. Aber viele der reglos ausgestreckten Gestalten hatten auch die Gesichter von Menschen.
    Zu viele.
    Dabei hatte die eigentliche Schlacht gar nicht stattgefunden. Der Kampf – soweit man das Gemetzel, das die Shoggoten unter den Conden-Leuten angerichtet hatten, so nennen mochte – hatte sich auf ein beinahe winziges, halbkreisförmiges Terrain vor dem Eingang des niedergebrannten Gebäudes beschränkt, in dem die Metamorphose-Seuche ausgebrochen war.
    Nein – die weitaus größte Zahl von Opfern hatte die Panik gefordert, die unter den menschlichen und tierischen Bewohnern Condens ausgebrochen war.
    Und nur die allerwenigsten Toten trugen Uniformen. Es waren wieder einmal die Unbeteiligten gewesen, die den Preis für diesen Wahnsinn bezahlten: die Kinder, die Alten, die Schwachen und Kranken, die der in Panik geratenen Menge nicht mehr hatten ausweichen können und zu Tode getrampelt worden waren. Der Anblick erfüllte mich mit einem Gefühl rasenden, hilflosen Zornes, wenngleich auch aus gänzlich anderen Gründen, als meine Begleiter annehmen mochten.
    »Nein«, sagte ich – nicht zum ersten Mal, seit ich an Anehs Seite den Turm verlassen hatte und auf den obersten Stufen der Freitreppe stehen geblieben war.
    Aneh widersprach nicht, aber der Blick ihrer großen, dunklen

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