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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und schaute sich um.
    Der Raum war groß, aber nicht übermäßig luxuriös eingerichtet. Es gab das Bett, einen Schrank, einen Tisch und den Stuhl, auf dem der Alte saß. Auf dem Tisch stand eine Wasserschüssel. Daneben lag ein kunstvoll verziertes Schwert, das eine schwache, ungreifbare Assoziation in ihr auslöste.
    Sill stand vollends auf und trat auf den Tisch zu. Die ersten Schritte fielen noch sehr ungelenk aus und einmal wäre sie fast gestürzt, doch von Sekunde zu Sekunde fühlte sie sich kräftiger. Die Schmerzen waren inzwischen fast zur Gänze geschwunden. Sie wusch sich Gesicht und Arme, bevor sie sich wieder dem Alten zuwandte, der inzwischen ebenfalls aufgestanden war.
    »Wie heißt du? Wo bin ich hier?«
    »Mein Name ist Noas. Ich habe Euren Schlaf bewacht und Euch gesund gepflegt, Herrin.«
    »Was hat das alles zu bedeuten? Wie bin ich hergekommen?«
    »Ihr werdet alles erfahren, doch nicht aus meinem Munde. Der Magierkreis erwartet Euch bereits. Wenn Ihr Euch kräftig genug fühlt, können wir in den Beschwörungssaal hinuntergehen. Dort wird man Euch alles erklären.«
    Sill erkannte, dass sie nicht mehr von dem Alten erfahren würde. Verwirrt griff sie nach dem Schwert und wog es ein paarmal in der Hand. Es handelte sich um eine erstklassig geschmiedete Waffe, deren Gewicht kaum zu spüren war.
    Im gleichen Moment vernahm sie die Stimme des schattenhaften Etwas in sich. Die Stimme klang direkt in ihrem Geist auf. Sie war wie ein glühender Draht, der durch ihre Gedanken schnitt.
    »TÖTE IHN!«
    Die alleinige Kraft, mit der die Worte ausgesprochen waren, traf sie wie ein Faustschlag. Sie krümmte sich vor Schmerz und versuchte das Schwert fallenzulassen, aber sie vermochte ihre Finger nicht zu öffnen, als wären sie mit dem Knauf verwachsen.
    »Was ist mit Euch, Herrin?«, fragte Noas besorgt.
    »TÖTE IHN!«, donnerte das schattenhafte Etwas noch einmal. Die Stimme wurde von einem gestaltlosen Schwall abgrundtiefer Bosheit begleitet, gegen die es keinen Widerstand gab.
    Und Sill gehorchte.
     
    Ich war in meine Kammer zurückgekehrt, scheinbar der einzige Ort, an dem ich für ein paar Minuten allein sein konnte – und selbst das nur, nachdem ich Aneh die Tür demonstrativ vor der Nase zugeschlagen hatte. Vielleicht hatte ich sie sogar getroffen, auf jeden Fall wurde ich nicht mehr belästigt. Es war eben nicht leicht, ein Gott zu sein.
    Nachdem ich es kategorisch abgelehnt hatte in eines der prunkvolleren Frauenquartiere zu ziehen, hatte man sich alle Mühe gegeben, den Raum auszustaffieren. Viel hatte es nicht genutzt. Die goldenen Leuchter, Tischdecken und bestickten Kissen wirkten eher deplatziert. Sie konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Unterkunft eines Kriegers war, auch wenn Madur – denn um sein Quartier handelte es sich – der oberste Kriegsherr des Conden-Turmes war. Die wenigen Möbelstücke waren schlicht und zweckmäßig. Ein Hauch der Düsternis, das dem Handwerk ihres früheren Bewohners anhaftete, schien sich in den Mauern eingenistet zu haben und ließ sich auch durch das helle Licht nicht völlig vertreiben, das zum Fenster hereinfiel.
    Ich ließ mich auf das Bett sinken und starrte mit hinter dem Kopf verschränkten Händen zur Decke hinauf. Zu viel war in den letzten Stunden geschehen, seit ich in diese bizarre Unterwelt gelangt war, wo die Bewohner der beiden turmähnlichen Bauwerke nichts Besseres zu tun hatten, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Ich hatte keineswegs hier! geschrien, als wir entdeckt und in die Auseinandersetzungen hineingezogen wurden. Ich hatte auch nicht begeistert applaudiert, als Mereda versucht hatte mir meine Hexerkraft zu entziehen, um so den Kampfdämon des Ancen-Turmes zu bezwingen. Um meine Begeisterung zu vervollkommnen, war dieser kurz darauf auch noch in Form eines Shoggoten erschienen und mein Sieg über ihn hatte mir den Titel eines Gottes eingebracht. Es gibt Tage, da bleibt man am besten im Bett.
    Am Wichtigsten jetzt war es mir Klarheit über Sills Schicksal zu verschaffen, wenigstens zu erfahren, ob sie überhaupt noch lebte. Unter anderen Umständen hätte ich kurz über meinen Plan geschmunzelt und ihn dann schulterzuckend als unmöglich abgetan, aber jetzt war es meine einzige Chance, um Klarheit zu gewinnen und mein weiteres Vorgehen planen zu können. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich darauf das Erbe meines Vaters zu erwecken, die magischen Kräfte, die tief in meinem Inneren schlummerten.

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