Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
letzte außer Sicht war, dann durchquerte er die Höhle mit raschen Schritten. Der hintere Teil wurde von den Fackeln kaum noch erleuchtet und lag in dämmerigem Halbdunkel. Doch Zengsu benötigte kein Licht, um die Barriere zu erkennen, die sich von einer Höhlenwand zur anderen spannte. Seine Augen hätten ihm ohnehin nur das Trugbild normalen, grob behauenen Felsens gezeigt, doch er spürte die Magie, die diesen Winkel der Höhle erfüllte. Eine Magie, die seine eigenen stümperhaften Kräfte um ein Vielfaches überstieg.
Es gab ein kurzes Aufblitzen, als die Illusions-Wand in sich zusammenbrach. Zengsu sank auf die Knie und berührte mit der Stirn übermäßig ehrerbietig den Boden.
»Steh auf!«, befahl die Frau, die das Gespräch mit den Sree-Häuptlingen hinter der Wand verfolgt hatte. »Ich bin zufrieden mit dir. Du hast zu meiner vollsten Zufriedenheit gehandelt.«
Und zu meiner, dachte Zengsu, unterdrückte den Gedanken aber sofort wieder. Er kannte die Kräfte Meredas nicht und es war vorstellbar, dass sie seine Gedanken zu lesen vermochte. In ihrem Plan war er nicht mehr als eine Marionette, die sie nach Belieben austauschen konnte, wenn sie merkte, dass er sich mit dieser Rolle absolut nicht zufrieden gab. Sollte sie glauben, dass er ihr aus Demut diente. Sie würde die Wahrheit schon noch erfahren, aber erst, wenn es für sie zu spät war.
»Ihr wisst, dass ich alles für Euch tun würde«, heuchelte er.
»Deshalb habe ich dich als meinen Diener ausgewählt. Du wirst deine Treue und Hilfe nicht zu bereuen brauchen, wenn ich erst Herrscherin über Conden und Ancen bin.«
Zengsu konnte sich vorstellen, worin sein Lohn bestehen würde, aber er ging auf das Spiel ein.
»Ihr wisst, dass ich nicht viel verlange.«
»Genug geschwatzt. Uns bleibt nur noch wenig Zeit. Unser größtes Problem wird der Kampfdämon des Ancen-Turmes sein. Der Magierkreis ist bereits schwach geworden. Es erfordert eine zu große Kraft den Dämon zu bändigen. Auch von dem condischen Kreis droht uns keinerlei Gefahr. Nicht einmal Aneh wird es in der kurzen Zeit gelingen ihn zu einer machtvollen Einheit zu verschmelzen. Gefährlich auf dieser Seite ist nur der Teufel mit der weißen Strähne im Haar, den diese Narren für den angekündigten Befreier halten.«
Mereda lachte böse auf.
»Um ein Haar hätte ich ihn getötet, aber ein zweites Mal werden wir ihn nicht überlisten können.«
»Ich werde ihn für Euch umbringen«, erbot sich Zengsu. »Selbst wenn er der mächtigste Magier überhaupt wäre, ist er nicht gegen einen Pfeil aus dem Hinterhalt gefeit. Ich kenne Wege in den Turm, die …«
»Nein«, unterbrach Mereda. »Du wirst nichts Derartiges tun. Ich habe andere Pläne. Dennoch wirst du dich um ihn kümmern, aber anders als du denkst. Du wirst ihn beobachten und dafür sorgen, dass ihm kein Haar gekrümmt wird, und wenn es dein eigenes Leben kosten sollte.«
»Aber Herrin, ich verstehe nicht …«
»Weil du ein Narr bist. Ich brauche diesen Mann lebend. Der Ancen-Dämon ist zu stark, selbst für mich. Soll dieser Befreier doch zeigen, wie mächtig er ist. Möglicherweise lösen sich damit beide Probleme auf einen Schlag. Begreifst du jetzt?«
»Ich glaube schon«, antwortete Zengsu. In Gedanken hakte er auch das dritte zu lösende Problem bereits von seiner eigenen Liste ab. Wenn er es geschickt anstellte …
Das hintergründige Lächeln auf Meredas Gesicht entging ihm genauso wie die durch einen weiteren Zauber geschützte Gestalt, die sich hinter der ehemaligen Kreisversteherin verborgen hielt.
Erst als er die Höhle verlassen hatte, trat der Mann aus dem Schatten heraus, die ihn umgaben.
»Er ist gefährlich, Herrin«, sagte Madur leise.
»Ich weiß«, entgegnete die Hexe. »Aber er wird keine Gelegenheit finden, seine Pläne zu verwirklichen. Noch brauche ich einen Idioten wie ihn. Noch.«
Diesmal war mein Erwachen kein sanftes Hinübergleiten aus der Welt der Träume. Ganz im Gegenteil, ich war schlagartig wach, fast schon zu schnell, als dass man es noch als normal hätte bezeichnen können. Meine Gedanken fochten einen wilden Kampf gegen die Albtraumvisionen, aus denen ich aufgeschreckt war, und es gelang mir sie rasch zurückzudrängen. Beruhigende Impulse strömten auf mich ein und halfen mir dabei, die gleichen Impulse, die mich zuvor noch ungleich aggressiver aus dem Schlaf gerissen hatten. Instinktiv schirmte ich mein Gehirn gegen die fremde Beeinflussung ab und sprang auf.
Aneh und zwei
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