Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
Unbekannten und irgendwie gelang es mir mich im letzten Moment zur Seite zu werfen. Hart prallte ich auf den Pflastersteinen auf.
Mit einem Kampfschrei auf den Lippen riss Sill ihr Schwert hervor und drang auf den zweiten Unbekannten ein.
Instinktiv wälzte ich mich zur Seite, als sich der Schatten auf mich stürzte, um mich allein durch sein Gewicht zu zerquetschen. Der Boden schien zu beben, als er dicht neben mir aufprallte. Ich wollte auf die Beine springen, aber die Hand des Fremden erwischte mich am Arm und riss mich auf den Boden zurück.
Für die Dauer von ein, zwei Herzschlägen sah ich das Gesicht des Mannes. Es war auf eine unbegreifliche, sinnverwirrende Art deformiert, geradezu in sich verdreht. Während die eine Wange wie eingefallen aussah, war die andere fett und aufgequollen; der Mund mit den schwülstig aufgeworfenen Lippen verlief auf eine unmöglich anmutende Art schräg durchs Gesicht, sodass er vom Kinn bis fast zu einem der froschartigen Augen reichte.
Ich schrie auf und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, aber seine Hände hielten mein Handgelenk wie ein Schraubstock umklammert. Immer noch war mein rechter Arm von der Wucht des Rückpralls fast gelähmt.
Blindlings trat ich um mich und wieder hatte ich das Gefühl einen Steinklotz getroffen zu haben. Etwas Spitzes bohrte sich schmerzhaft in meinen Arm. In Sekundenschnelle breitete sich der Schmerz aus und überschwemmte meinen ganzen Körper. Glühende Lava schien durch meine Adern zu fließen. Flammen tanzten vor meinen Augen, und eine schier unerträgliche Hitze schien mein Gehirn zu verbrennen und mein Denken hinwegzufegen.
Es konnte nur Sekunden dauern, bis ich aus der Ohnmacht erwachte. Der Schmerz war wie fortgeblasen, nur eine seltsame Mattheit war zurückgeblieben. Mühsam richtete ich mich auf. Einige Dutzend Yards entfernt sah ich die Umrisse der beiden davonhastenden Unbekannten und das Echo ihrer Schritte drang an meine Ohren.
Es war sinnlos, sie zu verfolgen. Immer noch wusste ich nicht, um was für Kreaturen es sich überhaupt handelte und was sie gewollt hatten, aber immerhin hatten sie mir drastisch deutlich gemacht, dass man sich besser auf keinen Kampf mit ihnen einließ. Ich bückte mich nach dem Stockdegen und schob ihn in meinen Gürtel.
Das Gewitter hatte London inzwischen erreicht. In immer kürzeren Abständen grollte der Donner und Blitz auf Blitz zuckte vom Himmel. Die ersten Regentropfen fielen.
Das Denken fiel mir merkwürdig schwer und meine Knie schienen mit Pudding gefüllt zu sein. Ich versuchte die Benommenheit wegzublinzeln und taumelte auf Sill zu, die reglos mit verrenkten Gliedern am Boden lag. Etwas in mir zerriss bei dem Anblick. Ich fiel neben ihr auf die Knie und packte ihren Arm. Ihr Pulsschlag ging kräftig und regelmäßig.
Gott sei Dank, sie lebte. Die Fremden hatten sie nur bewusstlos geschlagen. Ihre Lippe war aufgeplatzt und begann anzuschwellen. Ich schüttelte Sill ein paarmal sanft und rief ihren Namen.
Mit einem leisen Schrei fuhr sie hoch. Einen Herzschlag lang blickte sie mich verwirrt an, dann verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Grimasse aus Furcht und Schrecken. Sie riss sich aus meinem Griff los, sprang auf und hob drohend ihr Schwert.
»Verschwinden Sie!«, schrie sie. »Verschwinden Sie, oder ich töte Sie!«
Das Zimmer war abgedunkelt, aber selbst durch die dicken Vorhänge drang noch gedämpftes Licht herein. Schatten tanzten an den Wänden, die ein wenig zu stofflich waren, um allein durch die Abwesenheit von Licht hervorgerufen zu werden. Die Schatten näherten sich langsam, aber beständig der jungen Frau, die wach in einem Bett lag, ohne Furcht in ihr zu erwecken.
Sie wusste nicht, wo sie sich befand. Sie wusste nicht einmal, wer sie war. Man hatte irgendetwas mit ihr getan, ihr etwas eingeflößt, aber sie begriff nicht, was um sie herum vorging. Seit Stunden lag sie reglos da, mit geöffneten Augen, den Blick in weite Ferne gerichtet. Man hätte sie für tot halten können, wenn sich nicht die Bettdecke im Rhythmus schwacher, aber regelmäßiger Atemzüge heben und senken würde.
Dann, von einer Sekunde zur anderen, rissen die Nebel auf, die sich um ihren Verstand gelegt hatten, ohne dass es einen erkennbaren Anlass dafür gab.
»Robert«, flüsterte sie und ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Sie wusste nicht, warum sie ausgerechnet diesen Namen nannte. Es gab nichts, was sich in ihrer Erinnerung damit verband.
Und doch rief schon der
Weitere Kostenlose Bücher