Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
Nimué ihn verletzt hatte. Die Wunde war verschwunden, ohne auch nur eine Narbe zu hinterlassen – zumindest nicht auf seinem Körper. Doch in seinem Inneren spürte Corabhainn noch einen Rest des Hexenfeuers, mit dem der Stockdegen ihn gezeichnet hatte. Er spürte einen dumpfen, nagenden Schmerz und wusste, dass er nie mehr vergehen würde, denn es war der Schmerz der Niederlage, den er spürte.
»Dafür wirst du mir bezahlen, Nimué, das schwöre ich dir!«, flüsterte er hasserfüllt.
Aber er wusste auch im gleichen Augenblick, dass er selbst seine eigene Schuld begleichen musste. Das Drängen des Dämons wurde stärker. Noch konnte er es unterdrücken, aber anders als er gewann der Dämon mit jedem Moment an Kraft, während die seine nachließ, nicht sehr stark, aber unbarmherzig.
Für einen Moment geriet Corabhainn in Panik. Er wollte aufspringen und den grünen Stein vom Tisch entfernen. Aber er konnte es nicht.
Voller Angst – aber auch Wut – bäumte sich Corabhainn auf und versuchte mit dem Schlangenstab nach dem Stein zu schlagen.
Der Stab entglitt seinen Händen, machte sich selbstständig und traf Corabhainn ins Gesicht. Er schrie auf, taumelte zurück und fiel mit einem würgenden Laut auf den Stuhl. Sekundenlang blieb er benommen liegen.
Corabhainn leckte sich das Blut von den aufgeplatzten Lippen und starrte grauenerfüllt auf den Stein. Etwas geschah mit ihm. Der Stab war wieder zur Ruhe gekommen, aber der Stein begann zu wachsen, erreichte die Größe eines Balles, dann eines Männerkopfes, schließlich die eines kleinen Kürbis’, und begann in langsamem Takt zu pulsieren.
Etwas wie eine düstere Drohung lag plötzlich fast greifbar in der Luft. Corabhainn fühlte, dass er sich beeilen musste, wenn er der Strafe Ronyl’ohms entgehen wollte. Der Dämon las seine Gedanken – sogar die, die ihm selbst verborgen blieben.
Er legte seinen Stab quer vor sich auf den Tisch und versuchte sich zu konzentrieren.
Nur mit Mühe gelang es ihm die alten, überlieferten Zauberformeln zu rezitieren. Zuerst verebbten seine Worte im Nichts, doch allmählich erwachte die Macht in Corabhainns Stimme und er spürte dankbar, wie sie stetig stieg. Der Sog des Dämons ließ nach. Ganz im Gegenteil schien er ihm plötzlich Kraft zu spenden. Aber er wusste auch, dass dieses Geschenk kein Geschenk war. Er würde dafür bezahlen.
Später, dachte er. Wenn die Hexe vernichtet war.
Der Stein loderte grell auf, jedoch ohne dass der Dämon noch einmal erschien. Das Feuer erfasste explosionsartig den ganzen Tisch und griff knisternd auf die Stühle über. Es wurde heiß. Corabhainn hustete, schloss die Augen und kämpfte mit aller Macht gegen den Impuls an davonzulaufen, vor dem Feuer zu fliehen, das kein Feuer war, sondern nur ein letzter Schutz des Steines, all die abzuschrecken, die damit herumexperimentieren wollten, ohne die wahre Macht zu besitzen. Aber dieses Wissen nutzte wenig. Corabhainn spürte das Feuer, er fühlte die Hitze und es tat weh, egal, ob es nun ein eingebildeter Schmerz war oder nicht.
Aber wenn er ihn nicht ertrug, würde er sterben.
Stöhnend vor Qual konzentrierte sich Corabhainn weiter. Jeder einzelne Nerv in seinem Körper war zum Zerreißen angespannt.
Mit einem Male erfüllte ein sonderbares, fast unheimliches Ächzen und Stöhnen den Raum. Einen Augenblick später begann jemand gellend zu schreien. Corabhainn starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Stuhl neben sich. Eine Lichtwolke erschien aus dem Nichts, drehte sich wirbelnd um die eigene Achse. Tentakelhafte Arme und Beine wuchsen aus der Erscheinung – und plötzlich blickte Corabhainn in ein schemenhaftes Gesicht, das alle Qualen der Welt ausdrückte.
»Warum erweckst du mich aus meinem Schlaf? Es ist noch lange nicht Zeit zur Wiederkehr«, rief die Gestalt. Glühende Arme reckten sich Corabhainn anklagend entgegen.
Bevor er etwas antworten konnte, mischte sich eine andere Stimme ein, die von einem anderen Lichtschemen stammte, das sich auf dem nächsten Stuhl manifestierte.
»Sei ruhig, Ffiathann, du alter Jammerlappen. Ich bin froh, wieder meine Glieder recken zu können und hoffe, nicht gleich wieder ins Nichts zurückkehren zu müssen. Was ist geschehen, Corabhainn? Ich spüre, dass die Verdammten von Avalon noch existieren. Du konntest deinen Auftrag nicht erfüllen. Rufst du uns um Hilfe?« In den letzten Worten lag eine eindeutige Drohung.
Corabhainns Gesicht verzerrte sich bei Kilwidhs spöttischer Bemerkung.
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