Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
weißt«, fügte er hastig hinzu, bevor ich aufbrausen konnte. »Man hat mir eine Nachricht übermittelt, dass wir hierher kommen sollen.«
Es war Teil meines magischen Erbes, jede Lüge sofort zu erkennen, und deshalb wusste ich, dass Howard die Wahrheit sprach, auch wenn das eigentlich unmöglich war. Ich war den ganzen Morgen mit ihm zusammen gewesen und hätte es gesehen, wenn ein Bote ihm eine Nachricht gebracht hätte. Aber auch wenn Howard nicht log, so behielt er doch einen großen Teil seines Wissens für sich. Es war hoffnungslos, sich mit ihm zu streiten. Wenn er etwas nicht sagen wollte, dann hätte vermutlich nicht einmal die spanische Inquisition etwas aus ihm herausbekommen.
Resignierend lehnte ich mich zurück und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren, als mir einen Sekundenbruchteil zu spät einfiel, dass der Hocker keine Rückenlehne hatte. Mit rudernden Armen fand ich das Gleichgewicht wieder, ein Anblick, der auf die anderen Gäste des Pubs überaus erheiternd wirken musste. Wütend griff ich nach dem Bierkrug und trank einen Schluck.
Mehr als eine Stunde verbrachten wir in dem Pub, ohne dass ich ein weiteres Wort mit Howard wechselte. Allmählich füllte sich die Schankstube. Bei jedem neuen Gast zuckte er zusammen und beobachtete den Neuankömmling genau, aber die Person, auf die er wartete, kam nicht. Ich konnte sehen, wie er von Minute zu Minute nervöser wurde. Schließlich erhob er sich.
»Es muss etwas passiert sein«, murmelte er, während er Geld auf den Tisch legte und seinen Mantel anzog. Ich griff ebenfalls nach meinem Mantel und vergaß auch den Gehstock nicht, in dessen Hülle sich ein scharf geschliffener Degen verbarg.
Obwohl ich immer noch nicht wusste, um was es eigentlich ging, konnte ich nicht verhindern, dass Howards Nervosität sich auf mich übertrug, während wir den Pub verließen.
Gerade als ich die Tür öffnen wollte, wurde sie von außen aufgestoßen. Ein Mann stürzte herein und rannte mich fast über den Haufen. Und es gehörte keine allzu große Menschenkenntnis dazu, um zu erkennen, dass er vor Angst beinahe den Verstand verlor.
Der Raum war so feudal eingerichtet, dass er manchem Königspalast noch zur Ehre gereicht hätte. Im Grunde genommen aber war der Mann, der mit auf die Brust gesunkenem Kopf in einem Sessel saß, auch nichts anderes als ein König, wenngleich es nur wenige Eingeweihte gab, die überhaupt von seinem Reich wussten.
Trotzdem war es mächtig genug, es mit beinahe jeder irdischen Macht aufnehmen zu können.
Mit jeder irdischen. Die Bedrohung, der er sich ausgesetzt sah, aber stammte nicht von dieser Welt. Vielleicht nicht einmal aus diesem Universum.
Kapitän Nemo schreckte aus seinem Grübeln auf, als es an der Tür klopfte. Mit einer müden Bewegung hob er den Kopf und strich sich durch das dunkle Haar. »Entrez.«
James Galbright trat ein. Der ehemalige General der britischen Armee wirkte kaum weniger müde als er selbst, stellte Nemo fest. Galbright war ein muskulöser, fast zwei Meter großer Riese. Sein gewelltes blondes Haar war streng gescheitelt. Eine Narbe zog sich vom Kinn bis zur Stirn über seine linke Gesichtshälfte.
»Es ist wieder ein Mann verschwunden«, meldete Galbright. Seine Stimme klang so müde, wie sein Gesicht aussah. Und es war mehr als Erschöpfung. Eigentlich zum ersten Mal, seit Nemo Galbright kannte, glaubte er so etwas wie Mutlosigkeit in seiner Stimme zu hören. »Jones. Er gehörte zu den Männern, die den Durchbruch bewachten.«
Nemo ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn die Nachricht erschütterte. Die sechs Wachtposten waren Männer, die er selber ausgewählt hatte, weil sie sich gegenüber jeder Form von Hypnose oder sonstiger geistiger Beeinflussung als besonders widerstandsfähig gezeigt hatten. Wenn nicht einmal sie dem geheimnisvollen Sog standzuhalten vermochten, war der Zeitpunkt abzusehen, an dem es keinen Menschen mit freiem Willen mehr in seinem geheimen Stützpunkt geben würde.
»Genau wie bei den anderen?«, fragte er mit ruhiger Stimme, die nicht verriet, wie es in seinem Inneren aussah.
Galbright nickt. »Genauso. Unsere Vorsichtsmaßnahmen haben nichts genutzt. Jones hat sich wie ein Berserker aufgeführt und seine Begleiter niedergeschlagen. Es war unmöglich ihn aufzuhalten. Sie haben ihm ins Bein geschossen, aber er scheint es nicht einmal gemerkt zu haben. Wir müssen endlich etwas unternehmen, mon Capitan«, fügte er sehr ernst hinzu. »Jeden Tag verlieren
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