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Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die er dafür trug, erdrückte ihn fast.
    »Wenn nur Howard bald käme«, flüsterte er mit bebender Stimme.
     
    Der Mann machte einen heruntergekommenen Eindruck – auf den ersten Blick.
    Auf den zweiten wirkte er erschreckend.
    Wie die meisten anderen Gäste trug er Seemannskleidung: ein einfaches Hemd, über das er eine wetterfeste Jacke gestreift hatte, und eine Leinenhose, dazu schwere, eisenbeschlagene Schuhe – ein Seemann, der direkt aus einem Lehrbuch über Matrosen entsprungen sein könnte. Aber etwas an ihm war anders. Er gehörte nicht zu der Bande von Halsabschneidern, die sich in der Hafenspelunke tummelten, ganz entschieden nicht.
    Ich entschuldigte mich im Stillen für das, was ich über ihn gedacht hatte. Der Mann wirkte lediglich so verwahrlost, weil er Schreckliches durchgemacht haben musste. Was ich für Schmutz auf seiner Kleidung gehalten hatte, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Flecken noch nicht ganz getrockneten Blutes, das aber nicht sein eigenes zu sein schien, da ich mit Ausnahme einer Schwellung an seinem Kinn keine Verletzung bei ihm entdecken konnte.
    Verwirrt sah er mich an, dann wandte er sich an Howard. »Ich heiße van der Croft. Sie müssen Mr. Lovecraft sein«, sagte er mit kaum wahrnehmbarem holländischen Akzent. Für einen Mann seines Aussehens, registrierte ich überrascht, hatte er eine erstaunlich gepflegte Aussprache.
    Howard nickte. »Ich habe auf Sie gewartet. Sie kommen spät.«
    »Wir hatten Schwierigkeiten an Bord. Es kam zu …«
    Howard unterbrach ihn mit einer hastigen Handbewegung. »Nicht hier. Wir erregen bereits mehr Aufmerksamkeit, als gut ist. Kommen Sie. Ist mit … dem Schiff alles in Ordnung?«
    Ich beobachtete ihn genau und bemerkte, wie er nach dem Nicken des Holländers erleichtert aufatmete. Das Stocken in seiner Stimme war mir ebenfalls nicht entgangen, aber ich schwieg. Howard hatte Recht: Wir erregten bereits zu viel Aufsehen. Die Gespräche um uns herum waren verstummt und die meisten Männer starrten uns an. Ich schob Howard und den Mann kurzerhand zur Tür hinaus. Nach der Wärme in der Schankstube ließ die Kälte mich trotz des Mantels erschauern.
    Eine eisige Brise wehte vom Meer her und trug den Geruch von Salzwasser und Tang mit sich. Die Temperaturen lagen noch unter dem Gefrierpunkt. Trotzdem war Nebel aufgekommen, hellgrauer, dunstiger Nebel, der in trägen Schwaden über der Straße hing und vom Wind hin und her bewegt wurde, wobei die Schwaden immer neue sinnverwirrende Formen annahmen, als versuchten sie, sich zu ganz bestimmten Umrissen – Dingen, flüsterte eine dünne boshafte Stimme in meinem Denken – zu formen.
    Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, weil Howard mich mit seinem Gerede von Gefahr schon nervöser gemacht hatte, als mir bewusst war. Dass an seinem Gerede etwas dran war, bewiesen van der Crofts Erscheinen und seine blutbefleckte Kleidung – aber Howard war ohnehin nicht der Mann, der einen Ausflug wie diesen nur aus einer Laune heraus unternahm oder um einen Aufhänger für einen neuen Roman zu finden. Wenn er sagte, dass Gefahr drohte, dann drohte Gefahr, punktum. Auch wenn er sich ansonsten darüber ausschwieg, welcher Art die Gefahr war.
    Der Nebel war so dicht, dass wir nicht einmal die gegenüberliegende Häuserwand erkennen konnten. Der Lichtschein von van der Crofts Lampe wurde nach wenigen Schritten bereits von der wirbelnden grauen Masse verschluckt. Ich zog den Mantel enger um mich und schlug fröstelnd den Kragen hoch. Howard drückte sich den Hut tiefer in die Stirn. Einzig der Holländer schien die Kälte nicht zu spüren.
    Ich war bereits ein paar Mal in Brighton gewesen und wenn ich die Stadt auch nicht sonderlich gut kannte, reichten meine Ortskenntnisse doch aus, um zu erkennen, dass wir uns auf den Weg zur Küste machten. Mit jedem Schritt mussten wir gegen den heftigen Wind ankämpfen, der vom Meer her auf das Festland wehte. Einmal begegnete uns ein Mann, der mit hochgeschlagenem Mantelkragen an uns vorbeihastete, ohne uns zu beachten.
    Der Nebel lichtete sich, je näher wir der Küste kamen, doch schlugen wir nicht den Weg zum Hafen ein, wie ich nach Howards Gerede von einem Schiff erwartet hatte, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, was er dort wollte. Nicht einmal er konnte so verrückt sein, bei diesem Wetter in See stechen zu wollen; ganz abgesehen davon, dass ein solches Vorhaben zu einem handfesten Krach zwischen uns geführt hätte. Ich wollte ihn zwingen, mir

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