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Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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endlich die Wahrheit zu sagen, aber meine Lippen waren taub vor Kälte und ich war zu sehr damit beschäftigt, meine Zähne durch heftiges Klappern vor dem Einfrieren zu schützen, als dass ich hätte Worte formen können. Ganz abgesehen davon, dass ich bei dem Wind, der sich allmählich zum Sturm verstärkte, hätte schreien müssen, um mich überhaupt verständlich zu machen.
    Bald hatten wir die letzten Häuser hinter uns zurückgelassen. Gedämpft durch den Nebel drang das Plätschern von Wellen an mein Ohr. Unter unseren Füßen befand sich keine gepflasterte Straße mehr, sondern nur noch loser Sand, in den wir bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln einsanken, was unser Vorwärtskommen erschwerte.
    Das Boot entdeckte ich erst, als van der Croft direkt davor stehen blieb und es anleuchtete. Howard wollte ihm helfen, es ins Wasser zu schieben, aber ich hielt ihn am Arm zurück.
    »Ich will endlich wissen, was du vorhast!«, brüllte ich so laut ich konnte. Der Sturm trieb mir Tränen in die Augen und riss die Worte von meinen Lippen. Howard antwortete etwas, von dem ich kein Wort verstand. Wahrscheinlich hatte er absichtlich nicht allzu laut gesprochen, weil ich nichts verstehen sollte. Jedenfalls war ich wieder mal der Dumme, aber daran hatte ich mich ja fast schon gewöhnt.
    Resignierend packte ich gleich ihm und dem Holländer die hölzerne Wandung und half mit das Boot ins Wasser zu schieben. Van der Croft ruderte allein. Mit gleichmäßigen, kraftvollen Bewegungen zog er die Ruder durchs Wasser. Gischt durchnässte uns, wenn Wellen sich am Bug des Bootes brachen. Jede Welle trieb uns ein Stück weit zurück, doch van der Croft ruderte verbissen weiter, bis er die Riemen nach einigen Minuten aus der Hand legte.
    Das Boot glitt noch ein Stück weiter, getragen von seinem eigenen Schwung, ehe die Strömung seine Geschwindigkeit aufzehrte. Etwas Gigantisches, Dunkles begann sich hinter der Nebelwand zu bilden, eine finstere Wand, die jäh aus dem Wasser aufzuragen schien.
    Ich erschrak und umklammerte instinktiv den Rand des Bootes fester.
    Van der Croft hob die Hände und bildete einen Trichter vor dem Mund. Er rief ein einzelnes, weithin schallendes Wort in seiner Muttersprache, das ich nicht verstand. Wenige Sekunden später antwortete eine Stimme aus dem Nebel heraus.
    Im gleichen Moment sah ich die Wandung des stählernen Ungeheuers, das vor uns auf dem Wasser schwamm, und atmete erleichtert auf. Auf Anhieb erkannte ich, um was es sich handelte – und mit einem Mal wurde mir auch Howards Verschwiegenheit ein wenig verständlicher.
    Das Monstrum war nichts anderes als die NAUTILUS, Kapitän Nemos schwimmende Festung, die von aller Welt nur für eine Legende gehalten wurde!
    Van der Croft vertäute das Boot. Ich kletterte als Erster an Bord der NAUTILUS. Kaum hatte ich den Fuß auf das stählerne Deck gesetzt, als ich das Krachen eines aus unmittelbarer Nähe abgefeuerten Schusses vernahm.
     
    Es wartete in seinem Gefängnis aus immer währender Nacht.
    Unermüdlich.
    Ewiglich.
    In seinem nach Äonen von Jahren zählenden Leben gab es keine Zeit im menschlichen Sinne.
    Es hatte geschlafen, eine unvorstellbar lange und nicht einmal für ihn überschaubare Zeitspanne geschlafen und vom Schrecken geträumt, den seine Träume gebaren, bis es die Nähe vieler Opfer gespürt hatte.
    Es war allein erwacht, hatte als Einziger den langen Schlaf überlebt, während seine Brüder längst vergangen und genauso wie er in Vergessenheit geraten waren.
    Vieles hatte sich verändert seit damals.
    Es tastete mit seinem Geist in die Unendlichkeit hinaus, aber der Widerhall, auf den Es wartete, blieb aus.
    Der Meister antwortete nicht, wofür es nur eine Erklärung geben konnte: Das schleichende Chaos war immer noch in seinen Kerker hinter den Grenzen der Zeit verbannt.
    Der Auftrag, den Es erhalten hatte, galt also immer noch. Es würde ihn erfüllen, sobald er Kraft genug geschöpft hatte.
    Hinter dem Tor gab es pulsierendes, Kräfte spendendes Leben und wenn Es das Tor auch nicht zu durchdringen vermochte, konnte er die Opfer doch zu sich rufen. Sie folgten seinem Locken bereitwillig und jedes einzelne der Wesen stimmte in den Ruf ein, der immer stärker durch die Unendlichkeit hallte.
    »Nyarlathotep, erwache!«
    Mit jedem Mal erkannte Es, dass er noch zu schwach war. Es rief mehr Opfer herbei. Irgendwann würde das schleichende Chaos den Ruf erhören.
    Die Zeit war nicht mehr fern.
     
    Der Schuss war schlecht gezielt.

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