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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Versuch sehr schnell wieder auf. Obwohl die Nacht sehr kühl war und vom Meer her zusätzlich ein eisiger Wind wehte, war ich in Schweiß gebadet, als ich den Strand erreichte.
    Aufmerksam sah ich mich um. Meine Umgebung wirkte völlig anders, als ich erwartet hatte. Statt eines flachen Strandes fand ich mich in einem Gewirr mehr als mannshoher, zum Teil bizarr geformter Felsen wieder, zwischen denen hier und da flache Pfützen glänzten. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich weich und federnd wie Sumpf an. Wahrscheinlich stand ich auf dem Meeresgrund. Ich vermutete, dass der Strand bei der von Alyssa erwähnten Flut bis zur Höhe der Felsen unter Wasser stand; was bedeutete, dass mir ungefähr eine Stunde blieb, um zur Treppe zurückzukommen.
    Ich war unentschlossen. Bei Dunkelheit und in diesem Gewirr von Felsen waren die Aussichten nicht schlecht, sich hoffnungslos zu verirren; und ich wusste aus leidiger Erfahrung, wie schnell und tückisch die Flut in diesen Gewässern hereinbrechen konnte. Vielleicht hätte ich sogar auf meine innere Stimme gehört und auf der Stelle kehrtgemacht, wäre in diesem Moment nicht ein fremdes, irgendwie unheimliches Geräusch an mein Ohr gedrungen: ein sonderbares, an- und abschwellendes Summen, das einem nicht identifizierbaren, aber trotzdem vorhandenen Rhythmus folgte.
    Mit klopfendem Herzen sah ich mich um. Ich sah nichts außer Dunkelheit und feuchtem Stein und ich war schon so weit, auf einen der Felsen klettern zu wollen um einen besseren Überblick zu erlangen, als ich doch etwas sah – nämlich das Licht, von dem Alyssa gesprochen hatte.
    Plötzlich verstand ich sehr gut, was sie gemeint hatte. Das Licht erstrahlte auf der Spitze des konischen Schattens, den der Leuchtturm darstellte, aber es war nicht das Licht eines Leuchtturmes. Ganz und gar nicht.
    Es war ein unheimlicher, mattgrüner Glanz, der gar nicht wie Licht aus einer bestimmten Quelle aussah, sondern fast, als wäre der Turm von einer Wolke aus Myriaden winziger, grün leuchtender Käfer oder Staubkörner eingehüllt. Das Licht flackerte, ohne dass ich eine wirkliche Bewegung der Wolke feststellen konnte. Es war ein durch und durch unheimlicher Anblick und ich stand eine geraume Weile einfach da und betrachtete den Turm, hin- und hergerissen zwischen Faszination und einem allmählich größer werdenden Schrecken.
    Als ich mich endlich wieder aus dem Bann des Anblickes befreite, war der Gesang näher gekommen; so nahe, dass ich erschrocken zusammenfuhr und instinktiv in den Schatten eines Felsens huschte – wie sich schon im nächsten Moment zeigen sollte, keinen Augenblick zu früh.
    Zwischen den Felsen, nur ein kleines Stück abseits der Stelle, an der ich gerade noch gestanden hatte, erschien die erste einer ganzen Reihe von Gestalten, die in einer Art unheimlicher Prozession an mir vorüberzogen. Sie alle waren sehr klein – keine hätte mir auch nur bis zum Kinn gereicht, selbst wenn sie sich auf die Zehenspitzen gestellt hätten – und ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, denn sie trugen dunkle Gewänder mit hohen, weit nach vorne gezogenen Kapuzen, aber ich wusste trotzdem sofort, wen ich vor mir hatte: die Kinder von Brandersgate, von denen Alyssa mir erzählt hatte. Ich zählte insgesamt neunzehn Gestalten, die langsam an mir vorüberzogen, wobei sie weiter diesen unheimlichen Gesang sangen, der nicht aus Worten bestand, sondern nur aus düsteren Summ- und Kehllauten, von denen es schwer zu glauben war, dass sie aus den Mündern von Kindern stammen sollten.
    Ich wartete mit angehaltenem Atem, bis das letzte Mitglied der unheimlichen Prozession an meinem Versteck vorübergezogen war, und ich gab auch dann noch einige Sekunden zu, ehe ich ihnen äußerst vorsichtig folgte.
    Die Prozession bewegte sich in nördlicher Richtung, soweit das Gewirr bloßgelegter Riffe dies zuließ, und somit direkt auf den unheimlichen Leuchtturm zu. Der Gesang wurde ganz allmählich lauter, ohne jedoch an Deutlichkeit zuzunehmen. Trotzdem vermeinte ich jetzt Fetzen von Worten zu vernehmen, schaudernd machende Lautgebilde, die keiner mir bekannten menschlichen Sprache entstammten.
    Der Zug bewegte sich langsam weiter und ich folgte ihm in gehörigem Abstand, jederzeit bereit, stehen zu bleiben und in eine Deckung zu huschen, sollte einer von ihnen etwa anhalten oder sich gar herumdrehen. Aber meine Vorsicht erwies sich, dieses Mal zumindest, als überflüssig. So wenig, wie eines der knapp zwanzig Kinder vorhin

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