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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sie maß Viktor mit einem strafenden Blick von Kopf bis Fuß, dann sah sie mich auf dem Bett liegen, runzelte die Brauen und fragte: »Wer ist das?«
    »Ein … Bekannter«, sagte Viktor hastig. »Der Sohn eines alten Schulfreundes, der nach Indonesien ausgewandert ist. Sie sind zu Besuch in England und der Junge hat sich eine leichte Lungenentzündung eingefangen.« Er zuckte mit den Schultern. »Unser Londoner Wetter ist eben nicht für jedermann verträglich, vor allem nicht, wenn er in den Tropen aufgewachsen ist.«
    »Und er kuriert sich bei dir aus?«, fragte Shelley zweifelnd.
    »Seine Familie traut den Ärzten wohl nicht«, erwiderte Viktor. »Außerdem spricht er kein Wort Englisch und es war ihm peinlich, sich in eine Klinik legen zu sollen, in der er sich den kleinsten Wunsch übersetzen lassen muss.«
    »Ach?«, fragte Shelley. »Du sprichst perfekt Indonesisch, nehme ich an.«
    Viktor nickte. »Sra. Noso gobel dabel. «
    »Aha«, machte Shelley und zog die Brauen noch enger zusammen. Es sah ziemlich hübsch aus und ich konnte mich eines leisen Lächelns nicht erwehren, das ihr keineswegs verborgen blieb. »Was immer das war, Indonesisch war es nicht.« Sie machte eine wegwerfende Geste, ehe Viktor etwas erwidern konnte. »Na, lassen wir das. Wenn du dich von deinem Patienten einen Moment trennen könntest – dein Onkel und ich sind nur vorbeigekommen um uns zu verabschieden. Du weißt ja, dass wir für ein halbes Jahr aufs Land fahren.«
    Viktor nickte. »Dann gehen wir doch hinunter in die Bibliothek und trinken noch ein Glas Sherry zusammen«, sagte er.
    Shelleys Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war das ungefähr das Letzte, wonach ihr im Moment der Sinn stand, aber dann zuckte sie nur mit den Schultern, drehte sich auf der Stelle herum und ging aus der Tür – wobei sich Boris mit einem hastigen Sprung in Sicherheit bringen musste, damit sie ihn nicht einfach über den Haufen rannte. Viktor folgte ihr, machte dann aber noch einmal kehrt und kam mit zwei raschen Schritten zu mir zurück.
    »Ich komme gleich wieder«, sagte er. »Keine Sorge – sie bleibt nicht lange.«
    »Ihre Tante?«, fragte ich verwundert und im Flüsterton, damit sie meine Stimme draußen auf dem Flur nicht hören konnte: »Ist das wirklich Ihre Tante?«
    »Warum nicht?«
    »Sie ist allerhöchstens halb so alt wie Sie«, sagte ich.
    Viktor grinste plötzlich breit. »Mein Großvater war ein unternehmungslustiger Mann«, sagte er. »Er hat im hohen Alter noch einmal geheiratet. Wir reden später darüber, einverstanden?«
    Boris und er verließen das Zimmer. Unter der Tür blieb Boris noch einmal stehen und winkte mir zu und ich erwiderte die Bewegung, so gut ich konnte. Ich begann schon jetzt eine gewisse Sympathie für den scheinbar so ungeschlachten Giganten zu empfinden. Trotz seines Gesichtes, das ihn auf offener Straße zu einem schieren Kinderschreck gemacht hätte, spürte ich doch sein sanftmütiges Herz.
    Es war das vorletzte Mal, dass ich den gutmütigen Riesen mit dem Flickengesicht lebend sah.

 
21. Februar 1887
     
    »Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?« Sills Stimme klang gepresst. Rowlf entging nicht die Nervosität, die darin mitschwang. Immer wieder sah sie sich um und löste ihre Hand nicht einen Moment vom Griff des Schwertes, das sie unter ihrem langen Mantel verborgen trug. Trotz der klirrenden Kälte hatte sie den Mantel nicht geschlossen, um die Waffe blitzschnell ziehen zu können, sollte es sich als nötig erweisen, und aus dem gleichen Grund trug sie weder Handschuhe noch gefütterte Winterstiefel, die eigentlich bitter nötig gewesen wären. Aber sie hatte darauf bestanden, diese kleine Unbequemlichkeit in Kauf zu nehmen, um nötigenfalls um vielleicht den entscheidenden Sekundenbruchteil schneller zu sein, sollten sie angegriffen werden.
    Wieder einmal spürte Rowlf die gleiche Mischung aus Bewunderung, Ehrfurcht und auch ganz banaler Angst, die ihn oft in Sills Nähe überkam, dabei hatte er im Verlauf der zwei Wochen mehr Zeit als irgendein anderer Mensch mit ihr verbracht. Offiziell war sie zurück nach Arabien gereist, als sie von Roberts Hochzeitsplänen erfahren hatte, und Rowlf war der Einzige, der von Anfang an eingeweiht gewesen war, dass das nicht stimmte; er hatte sogar geholfen, ihr ein Quartier zu verschaffen. Genau wie Howard war sie Priscylla gegenüber von Anfang an misstrauisch gewesen und deshalb in London geblieben, aber dann war alles so schnell gegangen, dass sie keine

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