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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leise Knirschen ihrer Schritte auf dem Kies klang in Rowlfs Ohren sonderbar dumpf und weit entfernt, als wären es gar nicht ihre eigenen Schritte, sondern die von etwas Anderem, etwas Fremdem und Großem, das ihnen folgte.
    Dichte, milchige Schwaden krochen über den Boden, legten sich wie eine zweite weiße Decke über den Schnee und schienen mit vielfingrigen, faserigen Händen nach ihm und Sill zu greifen.
    Und irgendetwas bewegte sich innerhalb des Nebels …
    Rowlf nahm es nur aus den Augenwinkeln wahr, eine huschende, gleitende Bewegung, die immer dann sofort aufhörte, wenn er genauer hinschaute. Dennoch war er sicher, dass es sich nicht nur um die von einem Windstoß durcheinander gewirbelten Nebelschwaden handelte, die ihn narrten. Da war etwas. Etwas Großes.
    Er blieb stehen und hielt Sill am Arm zurück. »Gefällt ma nich«, nuschelte er. »Scheiß-Nebel …«
    Die Araberin nickte knapp. Sie zog das Schwert unter dem Mantel hervor und sah sich noch einmal sichernd um. Angesichts ihrer Kleidung und vor aller ihrer Umgebung wirkte die Waffe deplaciert und archaisch; aber trotzdem kein bisschen lächerlich. »Du spürst es also auch? Ich war mir nicht sicher, ob ich mir nur etwas einbilde, oder – Still!«
    Sie erstarrte zur Reglosigkeit. Das Geräusch klang wie ein aus weiter Ferne herangewehter Schrei, gefolgt von einem leisen, irren Lachen.
    Einige Sekunden herrschte Stille. Das Einzige, was Rowlf hörte, war sein eigener flacher Atem, der in der frostklirrenden Luft sofort zu weißem Dampf wurde, und sein rasender Herzschlag, der überlaut in seinen Ohren zu dröhnen schien.
    Es war beinahe Vollmond und bevor sie den Friedhof betreten hatten, war die Nacht so klar gewesen, dass sie geglaubt hatten, auf eine Lampe verzichten zu können. Jetzt jedoch wünschte sich Rowlf, eine mitgenommen zu haben. Es war nicht wirklich dunkel; das Mondlicht wurde vom Nebel aufgesogen und verstärkt, sodass es schien, als würde er von innen heraus leuchten. Ein Lampe hätte ihnen die Sicht höchstens erschwert. Trotzdem hätte sich Rowlf sicherer gefühlt; so, wie sich Sill mit dem Schwert in der Hand – das ihnen gegen die Wesen, die sie möglicherweise erwarteten, auch herzlich wenig nutzen würde – sicherer fühlte.
    Irgendwo schlug eine Kirchenglocke und als hoffte ihr Verursacher, dass sie von dem Geläut überdeckt würden, waren plötzlich auch andere Geräusche zu hören. Ein schweres Schleifen, dann etwas, das klang, als würde Glas zermalmt. Mit etwas Phantasie konnte man das Knirschen von Kies daraus hören, der unter den Schritten eines ungeheuer großen und schweren Wesens zerstampft wurde. Dann wiederholte sich das Lachen. Rowlf hörte jetzt, dass es gar kein richtiges Lachen war; eher etwas, das an das helle Keckern einer Hyäne erinnerte und ihm einen eisigen Schauer über den Rücken rieseln ließ. Er wünschte sich weit, weit fort.
    Irgendwo zerbrach mit peitschendem Knall ein Ast. Der Laut hallte wie ein Pistolenschuss über den nächtlichen Friedhof.
    Rowlf zuckte zusammen. Er spürte, wie eine eisige Gänsehaut über seinen Rücken kroch. Er bildete sich ein, den Boden unter seinen Füßen beben zu fühlen, und ein süßlicher Gestank wie nach faulendem Fleisch erfüllte plötzlich die Luft. Und es war keine Einbildung.
    Etwas kam.
    Ein erneuter Windstoß wirbelte die Nebelschwaden durcheinander und für einen Moment entdeckte Rowlf in ihrer Mitte etwas Dunkles, den Umriss einer monströsen, riesigen Gestalt, drei Mal so groß wie ein Mensch, aber massiger; ein Balg wie eine aufgedunsene Riesenqualle, die an Land gekrochen war; oder eine Schnecke.
    Der Anblick währte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann wurde das monströse Etwas wieder von den wabernden Nebelschwaden wie von einem schützenden Schleier verdeckt. Rowlf war sich nicht sicher, wie viel von dem, was er gesehen hatte, Realität gewesen war, und wieviel ihm seine Sinne nur vorgegaukelt hatten, aber es gab keinen Zweifel daran, dass da irgendetwas gewesen war, und die Erinnerung daran erfüllte ihn mit beinahe panischer Furcht.
    »Weg hier!«, stieß er hervor, packte Sill am Arm und begann zu laufen.
    Hinter ihnen erscholl ein schweres, kehliges Röcheln; ein Laut, der gleichermaßen wütend wie enttäuscht klang; dann andere Geräusche. Rowlf hatte Laute wie diese noch nie zuvor gehört, so wie vielleicht vor ihm noch kein Mensch auf dieser Welt. Es war ein Gleiten, ein sonderbar feuchtes, glitschiges Fließen und Platschen, und

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