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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Timbuktistan angereist waren. Wie es aussah, war ich direkt in ein Familientreffen der gefräßigen Nager hineingeplatzt.
    Normalerweise habe ich nichts gegen Geselligkeiten jeder Art, aber diese Party gefiel mir ganz und gar nicht – ich wurde nämlich das Gefühl nicht los, dass ich mich nicht nur in der Rolle eines uneingeladenen Gastes befand, sondern zugleich auch die Hauptmahlzeit darstellte. Die Ratte jedenfalls hatte schon ein gutes Stück aus meiner Hose herausgebissen und kaute genüsslich darauf herum. Immerhin trug ich besten Londoner Tweed und wenn das Vieh auf den Geschmack kam, mochte es vielleicht auch das Fleisch darunter in Kauf nehmen, um den Rest meiner Beinkleider zu ergattern …
    Ich verscheuchte die albernen Gedanken – die ohnehin nichts anderes als Hysterie waren, mit denen etwas in mir meine an Panik grenzende Furcht zu kompensieren versuchte – und packte den Knüppel fester, mit dem ich mich bewaffnet hatte. Eigentlich war es nur ein Holzscheit, kaum anderthalb Fuß lang, das noch dazu lange genug im Wasser gelegen hatte, um halb verfault zu sein und damit so weich wie ein Reisigbesen; eine erbärmliche Waffe. Aber leider die einzige, die ich besaß. Außerdem hätte mir vermutlich auch die schärfste Klinge des gesamten Empires nicht geholfen, wenn sich die Ratten tatsächlich entschlossen, über mich herzufallen.
    Und ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sie das tun würden. Ich hatte den Fehler begangen, auch nur einen Augenblick lang nicht auf meine Umgebung zu achten, und dieser Augenblick musste gereicht haben, mich direkt in ihr Revier hineinzuführen. Der Tunnel vor mir wimmelte von struppigen grauen und braunen Leibern und ich konnte die Blicke von Hunderten gieriger kleiner Augen beinahe körperlich auf mir spüren. Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was man sich über die Londoner Kanalratten erzählte, dann war ich verloren, denn diese Biester galten nicht nur als besonders verschlagen und heimtückisch, sondern auch als ganz besonders gefräßig. Sie hätten schon ziemlich dumm sein müssen, um einen so appetitlichen Happen, wie ich ihn in ihren Augen zweifellos darstellte, anstandslos wieder gehen zu lassen.
    Das Tier, das mich in den Hosensaum gebissen hatte, kam jetzt mit kleinen, trippelnden Schritten wieder näher. Ich konnte sehen, wie es schnüffelnd die Luft einsog, wie ein Hund, der eine Witterung aufnimmt. Die anderen rührten sich nicht (das heißt: natürlich rührten sie sich – sie huschten und rannten unentwegt durcheinander, sodass sie eine einzige, quirlende graubraune Masse zu bilden schienen, aber die Bewegung war noch nicht zielgerichtet, wie sie es bei einem direkten Angriff gewesen wäre), aber das musste nicht unbedingt bedeuten, dass sie kein Interesse an mir hatten. Vielleicht hatten sie diese eine sozusagen als Scout vorausgeschickt, um meinen Geschmack und möglicherweise auch meine Wehrhaftigkeit zu testen.
    Ich gab ihr eine Kostprobe von Letzterem, indem ich mit meinem Knüppel nach ihr schlug – sie ganz absichtlich aber verfehlte. Es hätte mir wenig genutzt, diesem einen Tier den Schädel einzuschlagen und damit vielleicht einen Angriff fünfhundert anderer zu provozieren.
    Immerhin trieb der Schlag, der wenige Inches vor ihr durch die Luft pfiff, die Ratte wieder ein Stück zurück. Zugleich aber stieß sie auch einen schrillen Pfiff aus und eine nicht eben geringe Anzahl ihrer struppigen Verwandten wandte seine Aufmerksamkeit nun ganz mir zu.
    »Nicht doch«, sagte ich mit einem hastigen verlegenen Lächeln. »Macht ruhig weiter, Leute. Tut einfach so, als wäre ich gar nicht da.«
    Ich redete Unsinn und ich wusste es, aber allein der Klang einer menschlichen Stimme, auch wenn es meine eigene war, schien die angsterfüllte Atmosphäre ein wenig zu lockern. Vielleicht half sie sogar wirklich, denn ich sah, wie einige Ratten erschrocken zusammenfuhren und Sekunden später in der Dunkelheit verschwanden. Möglicherweise hatten sie schlechte Erfahrungen mit den Wesen gemacht, zu denen Stimmen solcher Art gehörten.
    Aber wenn, dann galt das leider nicht für alle. Nicht einmal für sehr viele.
    Die Ratte kam schon wieder näher und sie war jetzt nicht mehr allein, sondern wurde von drei oder vier anderen Nagern begleitet, die sich mir ebenso vorsichtig, aber mit einer ebenso großen Gier in den Augen näherten wie sie.
    »Ich würde das nicht tun, Freunde«, sagte ich. »Ich schmecke scheußlich, glaubt mir.«
    Nein – sie

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