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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bringe ich sie um!«, sagte er mit eisiger, völlig akzentfreier Stimme, die Howard eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. »Ich bringe sie um, das schwöre ich, Howard!«
    Howard sagte nichts dazu. Es war der Schmerz, der aus Rowlf sprach, und sobald er ein wenig abgeflaut war, würde er auch seine Beherrschung wiederfinden. Nach allem, was Gray ihm auf der Fahrt hierher über Rowlf und seine Männer erzählt hatte, hatten Rowlf und Sill sich tatsächlich in dem vergangenen halben Jahrzehnt zu so etwas wie den neuen Unterweltbossen von London gemausert – allerdings auf eine für Gestalten dieser Couleur höchst ungewöhnliche Weise. Ihre Männer raubten und stahlen, was das Zeug hielt, aber Rowlf wäre nicht Rowlf gewesen, hätte er sich zu einem x-beliebigen Ganovenboss aufgeschwungen. Vielmehr genoss seine Bande selbst bei den Behörden (und erst recht bei großen Teilen der Bevölkerung) einen gewissen Ruf. Gray hatte nicht viel erzählt, aber Howard hatte begriffen, dass sie eine Art moderner Robin Hoods waren, die nur von den Reichen nahmen, um es den Armen zu geben (wenigstens zum Teil). Rowlf herrschte mit eiserner Hand über seine kleine Ganovenarmee und duldete keinerlei Übergriffe, aber er fühlte sich auch für jeden einzelnen seiner Männer verantwortlich. Vielleicht war es das Beste, wenn er Rowlf einen Moment völlig in Ruhe ließ.
    Während Harley sie mit der Kutsche hergefahren hatte, hatte Sill ihnen erzählt, was sie erfahren hatte, auch wenn sie selbst kaum genauere Einzelheiten kannte. Sie hatte sich in Rowlfs Hauptquartier befunden, das ihren Andeutungen zufolge irgendwo in einem stillgelegten Teil der Kanalisation zu liegen schien, als ein Bote ihr die Nachricht gebracht hatte, ein Mann, auf den die Beschreibung Roberts zutraf, wäre beim Betreten dieses Hauses gesehen worden. Mehr hatte auch sie nicht berichten können.
    Inzwischen zweifelte Howard nicht mehr daran, dass es sich bei dem Mann wirklich um Robert gehandelt hatte. Sie waren zu spät gekommen, wenn auch vermutlich nur um wenige Minuten. Aber ihre Gegner waren schneller gewesen und so sehr ihn der Tod der beiden auch entsetzte, verspürte er dennoch Erleichterung, dass sich Robert nicht unter den Toten befand. So bestand wenigstens noch ein Rest von Hoffnung, dass er noch am Leben war.
    Er wandte sich um, tauschte einen raschen, wortlosen Blick mit Gray und zwang sich dann, sich noch einmal und genauer in der Eingangshalle des Hauses umzusehen.
    Andara-House hatte sich in den letzten fünf Jahren nicht verändert. Er hatte gewusst, dass es noch immer eine Ruine war – schließlich hatte Gray auf seine ausdrückliche Anweisung hin dafür gesorgt, dass das Haus in genau dem Zustand blieb, in dem es sich am Morgen nach dem Feuer befunden hatte; und das mit gutem Grund. Aber hier schien tatsächlich die Zeit stehen geblieben zu sein. Nichts, absolut nichts hatte sich verändert. Selbst der Brandgeruch von damals schien noch in der Luft zu hängen – obwohl Howard natürlich sehr gut wusste, dass das kaum möglich war. Wahrscheinlich spielte ihm seine Erinnerung einen Streich.
    Wenn ja, befand sie sich damit in guter Gesellschaft. Nicht nur sein Erinnerungsvermögen, auch seine Logik schien im Moment auf Urlaub zu sein. Howard entsann sich mit einem Gefühl leiser Verärgerung des Momentes, in dem die Kutsche auf den regenüberfluteten Ashton Place hinausgerollt war und er begriffen hatte, wo ihr Ziel lag.
    Dabei hätte er es wissen müssen. Andara-House war der einzige Ort, der überhaupt Sinn machte. Wohin sonst hätte Robert sich auch wenden sollen? Niedergebrannt oder nicht, Andara-House war Roberts Zuhause, der einzige Ort in dieser Stadt, an den er sich wahrscheinlich überhaupt erinnern konnte, nach allem, was Mary erzählt hatte. Wenn es einen Platz gab, an dem es Sinn hatte, nach ihm zu suchen, dann hier.
    Aber der Ärger über dieses Versäumnis war nicht der einzige Grund für sein Unbehagen. Es war nicht einmal der Hauptgrund.
    Es war dieses Haus selbst. Die Erinnerungen, die es beherbergte, und den grenzenlosen Schrecken, den er hier erlebt hatte. Es war länger als fünf Jahre her, aber jetzt glaubte er sich plötzlich zurückversetzt in jene fürchterliche Nacht, in der …
    Howard schüttelte den Gedanken mit aller Macht ab, atmete ein paar Mal tief und gezwungen lange ein und griff dabei ganz automatisch in die Tasche, in der er den Vorrat an Zigarren trug, den er bei ihrem überhasteten Aufbruch

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