Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
keinem der guten Leute unterstellen, dass sie tatsächlich froh über meinen Tod gewesen waren. Aber ich hatte doch in all diesen Gesprächen eine gewisse Erleichterung nicht überhören können, die der bloßen Tatsache galt, dass Robert Craven, der Hexer, nicht mehr da war. Und die bange Sorge, ob mit seinem Zwillingsbruder vielleicht noch mehr an den Ashton Place zurückkehren mochte als nur der Name Craven.
Während ich langsam die Treppe zu der aus den Angeln gerissenen Tür von Andara-House hinaufging, fragte ich mich, wie viele Anwohner des Ashton Place mir die Geschichte des angeblichen Zwillingsbruders Robert Craven II. aus Amerika wohl geglaubt hatten. Wahrscheinlich nicht alle. Vielleicht nicht einmal besonders viele, und möglicherweise gar keiner. Sicher, mein Gesicht hatte sich ein wenig verändert in den Jahren, in denen ich in jenem zeitlosen Land zwischen der Welt der Toten und der der Lebenden geweilt hatte, und auch die zahlreichen Operationen, die Viktor Frankenstein hatte vornehmen müssen, um die Wunden zu heilen, die das Feuer meinem Körper zugefügt hatte, hatten ihre Spuren darin hinterlassen. Aber ich hatte immerhin jahrelang in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Menschen gelebt. Zumindest würde der eine oder andere seine Zweifel haben, ob ich tatsächlich der war, für den ich mich ausgab, und nicht doch der, der ich war …
Ehe ich meine Gehirnwindungen vollends verknotete, schob ich den Gedanken von mir und konzentrierte mich lieber darauf, mir meine Umgebung genauer anzusehen.
Fast bedauerte ich, es getan zu haben.
Es war nicht das erste Mal in den letzten Tagen, dass ich die Ruine von Andara-House betrat, aber der Anblick erfüllte mich jedesmal mit der gleichen Mischung aus Trauer, Schrecken und einer schwelenden Wut.
Trauer beim Anblick der Zerstörung, denn das, was hier in Trümmern lag, war weit mehr als ein Haus. Es war mein Heim gewesen, über viele Jahre hinweg, der sichere Hafen, in den ich nach allen Abenteuern und Fährnissen immer wieder zurückkehren und neue Kräfte schöpfen konnte. Es war beinahe so etwas wie ein Freund geworden; viel mehr als eine bloße Anhäufung von Steinen, Holz und anderen Baumaterialien; und wenn ich es jetzt betrachtete, hatte ich eher das Gefühl, den Leichnam eines lieben alten Freundes zu sehen, als die Ruine eines ausgebrannten Hauses.
Aber das Bild beinhaltete auch Schrecken, denn dies war der Ort, an dem ich gestorben war. Nicht nur beinahe. Nicht nur – wie schon so oft – in eine lebensgefährliche Situation geraten, sondern ganz konkret und real gestorben, und wie hätte ich dieses fürchterliche Erlebnis jemals vergessen können?
Und schließlich Wut, einen unstillbaren, tief in meine Seele hineingebrannten Zorn, den ich niemals ganz würde vergessen können.
Zorn auf die Wesen, die mir all dies angetan hatten, die mein Leben zerstört hatten, das meiner Freunde, die die getötet hatten, die ich auf der ganzen Welt am meisten liebte, und die mich letzten Endes dazu gezwungen hatten, meinen eigenen Sohn zu töten.
Aber all das war Vergangenheit. Die GROSSEN ALTEN waren besiegt. Vielleicht nicht für immer geschlagen, denn ich bezweifelte, dass Wesen von solch unvorstellbarer Macht überhaupt vollkommen zerstört werden konnten, aber sie hatten doch eine empfindliche Niederlage erlitten und selbst ein Koloss wie Cthulhu würde eine Weile brauchen, um seine Wunden zu lecken. Irgendwann, dessen war ich mir schmerzlich bewusst, würde er wieder auferstehen und der Schrecken, den er und all die anderen namenlosen Scheußlichkeiten in seinem Gefolge verbreiteten, vielleicht von neuem beginnen. Die Gefahr war gebannt, aber keineswegs besiegt.
Doch bis dahin würde Zeit vergehen, vielleicht Jahrtausende, möglicherweise noch viel, viel mehr. Das letzte Mal, dass die finsteren Gottheiten von den Sternen in den Abgrund des Vergessens hinabgestoßen worden waren, vergingen zweihundert Millionen Jahre, ehe es ihnen gelang, ihre hässlichen Häupter wieder über seinen Rand zu erheben. Natürlich maßte ich mir nicht an, die GROSSEN ALTEN mit der gleichen Macht getroffen zu haben, wie es damals die ÄLTEREN GÖTTER getan hatten, in einer Zeit, lange bevor es Menschen auf der Erde gab. Doch auch die Hiebe, die wir den GROSSEN ALTEN versetzt hatten, waren sehr schmerzhaft gewesen; sie würden Zeit brauchen, um sich davon zu erholen, und sie waren Geschöpfe, die in anderen Dimensionen dachten als wir. Möglicherweise waren die Spuren
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