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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Bereich des Universums betreten hatten, in dem menschliche Begriffe ebenso wenig galten wie ein menschliches Leben. Mehr noch: in dem es nicht nur vollkommen bedeutungslos, sondern falsch war. Sie sollten nicht nur nicht hier sein, sie durften es nicht.
    Um seiner steigenden Nervosität Herr zu werden, konzentrierte sich Blossom ganz auf dieses eine, neuerliche Rätsel, während er Hand über Hand in die Tiefe stieg. Es gab nur eine einzige logische Erklärung: Hier drinnen war kein Wasser gewesen. Der Schacht musste verschlossen gewesen sein, möglicherweise durch eine Felsplatte oder einen großen Stein über seinem Eingang, der erst nach dem Auftauchen der Insel seinen Halt verloren hatte. Das würde auch erklären, warum dieser Schacht samt des sich daran anschließenden Stollensystems nicht voll Wasser gelaufen war, obwohl sich beides tief unter dem Meeresspiegel befunden hatte. Obwohl Blossom tief in sich wusste, dass diese Erklärung falsch war, klammerte er sich mit all seiner Kraft daran. Es musste so gewesen sein: Vermutlich gab es nur diesen einen Einstieg, der irgendwann einmal, als dieser Felsen vielleicht Teil einer größeren Insel gewesen war, den höchsten Punkt dargestellt hatte, den Gipfel eines Berges, der zu dieser Insel geworden war, als er im Meer versank. Die Erklärung klang logisch. Sie hätte Blossom beruhigen müssen, aber sie tat es nicht. Irgendetwas sagte ihm, dass die Lösung dieses Rätsels ganz und gar nicht so einfach war. Hand über Hand kletterte er weiter, der Tiefe und der Dunkelheit entgegen, und dem, was darin verborgen auf ihn wartete.

 
12. Oktober 1892
     
    Also war ich endlich zurück. Zurück von den Toten, zurück aus der Zeit jenseits der Unendlichkeit und zurück aus meiner ganz privaten kleinen Hölle, in der mich ein Vorgeschmack dessen erwartet hatte, was die Theologen unter dem Begriff ewige Verdammnis verstehen mochten. Die Psychologen hatten vermutlich ein anderes Wort dafür und die Philosophen wieder ein anders, das zweifellos noch freundlicher klang.
    Ich hatte zu keiner der drei Fraktionen ein besonders inniges Verhältnis und trotzdem hatte ich mich in den vergangenen Tagen mehr als einmal mit dem Gedanken getragen, den Vertreter einer dieser Zünfte aufzusuchen; je nach Stimmung und momentanem Befinden mal den einen, mal den anderen.
    Vielleicht, weil ich ihnen allen etwas voraus hatte: Ich war dort gewesen, an jenem Ort, von dem die Priester behaupteten, er wäre die Strafe für ein sündiges Leben, die Gehirnklempner glaubten, er wäre nichts als ein Teil von uns, die Gerümpelkammer des Ich sozusagen, in der alle unguten Erinnerungen, alle Schrecken und Ängste in einem wirren Haufen übereinander geworfen dalagen und darauf warteten, in einem unbedachten Moment die Tür zu sprengen und über das Hier und Jetzt herzufallen, und die Philosophen, dass es sich nur um einen abstrakten Begriff handelte. Ein Symbol in einer Welt von Symbolen, die immer genau das bedeuteten, was man in ihnen sehen wollte, und letztendlich also keine Gefahr darstellte, man also auch jenen imaginären Ort namens Hölle auch nicht zu fürchten brauchte.
    Wie gesagt, vom Standpunkt der Philosophen aus, die von all diesen drei zuvor bezeichneten Berufsgruppen vielleicht die Schlimmsten waren – obwohl sie zweifellos die waren, die aus den uneigennützigsten Motiven heraus handelten, waren sie doch weder hinter unserer Seele noch hinter unserem Geld her, sondern glaubten den Unsinn tatsächlich, den sie ihren Zuhörern auftischten; übrigens zumeist unter vollkommener Missachtung des Umstandes, ob sie es nun hören wollten oder nicht.
    Ich jedoch war dort gewesen, an jenem schlimmsten aller Orte, und obwohl ich ihn durch eine Verkettung schier unglaublicher Umstände, Zufälle und schierer Wunder lebend und sogar bei halbwegs klarem Verstand wieder verlassen hatte, spürte ich nichts von der Erleichterung, die sich bei diesem Gedanken eigentlich einstellen sollte.
    Im Gegenteil. Wenn die seelischen Wunden, die ich davongetragen hatte, überhaupt jemals verheilen würden, dann würde es Zeit brauchen, viel Zeit. Mehr Zeit jedenfalls, als die nur knapp vier Tage, die ich erst wieder versuchte mir erneut so etwas wie ein geordnetes Leben aufzubauen.
    Die Stimme des Kutschers riss mich aus meinen Gedanken. Ich schrak hoch und blickte ihn verwirrt an. »Wie bitte?«
    »Da wären wir … Sir«, wiederholte der Fahrer der Mietdroschke und warf mir einen schrägen Blick zu, an dem

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