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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leerzutrinken. Ach ja, und dann und wann eine spitze Bemerkung fallen zu lassen, versteht sich.
    »Bitte, Rowlf«, sagte ich. »Warum gehst du nicht zu deiner Bande zurück und ihr stehlt ein paar Fuhrwerke?«
    »Sowas tuma nich«, antwortete Rowlf beleidigt. »Außerdem kann ich nich weg. Du weißt doch, dass H.P. mir gesacht hat, ich soll dich keine Sekunde nich aussn Augn lassn tun.«
    Ich verdrehte mit einem neuerlichen Seufzen die Augen. Völlig hatte ich mich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass der Rowlf, der mir gegenübersaß, nicht mehr derselbe war, den ich vor fünf Jahren gekannt hatte. Rowlf war schon lange nicht mehr nur Howards Leibdiener, Kutschfahrer, Koch und Mädchen für alles in Personalunion. Stattdessen war er in den letzten Jahren zum Anführer einer der größten und ehedem gefürchtetsten Straßenbanden Londons avanciert.
    Aber Rowlf wäre nicht Rowlf gewesen, hätte er die Bande nicht vollkommen umgekrempelt, kaum dass er das Kommando über ihre Mitglieder übernommen hatte. Ein paar dieser besagten Mitglieder hatte er dabei vermutlich ebenfalls umgekrempelt, aber die, die den Wechsel überlebt hatten, hatten sich buchstäblich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Sie klauten noch immer wie die Raben, jetzt vielleicht sogar mehr denn je, aber sie bestahlen nur noch Diebe. Am liebsten die, die mit gestärkten weißen Kragen hinter ihren Schreibtischen saßen und von sich behaupteten, ehrbare Geschäftsleute zu sein. Es gab derer eine ganze Menge in London.
    »Deine Sorge rührt mich noch zu Tränen«, antwortete ich säuerlich, dabei galt mein Ärger weniger Rowlf, als vielmehr Howard, der offensichtlich der unumstößlichen Ansicht war, dass ich unbedingt einen Aufpasser brauchte, seit sich meine Depressionen vor einigen Wochen wieder verstärkt hatten. Ich würde ihm morgen – nicht zum ersten Mal und garantiert ebenso erfolglos wie bislang – ein paar wenig freundliche Worte dazu sagen, aber im Augenblick war er nicht greifbar, sodass sich mein Ärger auf Rowlf entlud, und es war mir dabei völlig egal, ob ich mich ihm gegenüber fair verhielt oder nicht. Schließlich war er es, der seit Wochen auf meinen Nerven Klavier spielte, nicht umgekehrt.
    »Warum trinkst du nicht noch ein paar Flaschen?«, fügte ich boshaft hinzu. »Dann siehst du mich vielleicht doppelt und kannst deine Aufgabe doppelt gut erfüllen.«
    »Würd ich ja gern«, antwortete Rowlf und schwenkte eine leere Bourbonflasche. »Aber der Inhalt deiner Bar lässt zu wünschn übrich, echt. Is was fürn hohlen Zahn. Was tut ihr fein Pinkel eigentlich, wenner mal richtig durstich sein tut?«
    Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. Ich hatte die Bar am Nachmittag extra auffüllen lassen. Jetzt war es noch nicht einmal ganz Mitternacht. Rowlf hatte im Laufe des Abends nicht weniger als drei Flaschen Whisky in sich hineingekippt. Und er sprach nicht einmal mit schwerer Zunge! Jedenfalls nicht mehr als gewohnt.
    »Ich besorge dir eine neue«, versprach ich und stand auf. Ich hätte nach dem Zimmerkellner klingeln können, aber ich verzichtete darauf, angesichts der späten Stunde und meines Logiergastes. Eine gewisse Überheblichkeit setzt man ja bei englischem Hotelpersonal grundsätzlich voraus, aber die Angestellten des Hilton schossen in diesem Punkt den Vogel ab. Ich verspürte wenig Lust, mit dem Manager schon wieder eine fruchtlose Diskussion über die Nutzung meines Zimmers oder die Auswahl der Gäste zu führen, die ihren Fuß auf den geheiligten Boden des Hotels setzen durften. Leute wie Rowlf gehörten auf jeden Fall nicht dazu. Der – nie laut ausgesprochenen, aber überdeutlich in seinen Augen zu lesenden – Meinung des Hotelmanagers nach Leute wie ich übrigens auch nicht.
    Also ging ich stattdessen zum Wandschrank, in dem ich in weiser Voraussicht einige Flaschen billigen Alkohols deponiert hatte. Rowlf kippte das Zeug sowieso in sich hinein, als wäre es Leitungswasser.
    »Im Ernst, Rowlf«, sagte ich, während ich die Tür öffnete und die Hand nach dem Regal ausstreckte, auf dem ich die Flaschen wusste, »du musst nicht vierundzwanzig Stunden am Tag auf mich aufpassen. Ich bleibe schön brav hier im Zimmer und morgen treffe ich mich nur mit Howard und diesem Bauunternehmer, das ist alles. Dabei wird mir schon nichts -«
    Meine tastenden Finger stießen ins Leere. Die Flaschen mussten wohl weiter hinten auf dem Regal stehen, als ich angenommen hatte. Ich beugte mich weiter vor, während ich noch

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