Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
das ich einem von Storms Arbeitern kurzerhand aus der Hand gerissen und die darin befindlicher Erdbeerkonfitüre ausgeschüttet hatte, befanden sich jetzt sieben oder acht der kleinen Ungeheuer. Howard hatte darauf bestanden, einige der Tiere lebend einzufangen, um sie untersuchen zu lassen. Mir wäre wesentlich wohler gewesen, hätten wir auch sie verbrannt, aber ich sah natürlich ein, dass Howard Recht hatte. So lange wir nicht vollkommen sicher sein konnten, die Gefahr ein für allemal gebannt zu haben, mussten wir versuchen, so viel wie möglich über unsere neuen Feinde herauszufinden.
Neue Feinde …
Wäre es nicht so entsetzlich gewesen, hätte ich über diesen Gedanken lachen können. Nach dem, was Howard mir vorhin über die Zeichen auf dem Stein gesagt hatte, hatte ich mich insgeheim bereits damit abzufinden begonnen, dass die Vergangenheit mich wieder endgültig eingeholt hatte und der Kampf noch nicht vorbei war – aber das? Ich hatte mit Wesen gekämpft, die die Macht von Göttern hatten, und sie letzten Endes besiegt oder zumindest für eine Weile in ihre Schranken verwiesen. Und jetzt kämpften wir gegen Würmer!
Ich verscheuchte den Gedanken.
»Und was machen wir jetzt?«
»Ich bringe dich zurück zum Hilton und dann wirst du nichts anderes mehr machen, als dich ins Bett zu legen und bis morgen früh zu schlafen«, erwiderte Howard in bestimmendem Tonfall und blies mir zu Bekräftigung noch eine Rauchwolke ins Gesicht.
»Findest du nicht, wir sollten Cohen die Würmer zeigen?« Ich betrachtete noch einmal angeekelt den kleinen Behälter mit den herumwuselnden Tierchen. So scharf ihre Zähne auch sein mussten, das Glas vermochten sie nicht zu durchdringen und da sie keine Nahrung mehr fanden, wuchsen sie weder weiter noch teilten sie sich. »Wofür haben wir sie schließlich sonst eingefangen?«
»Sobald ich dich abgesetzt habe, fahre ich direkt weiter«, erklärte Howard. »Es gibt tatsächlich jemanden, dem ich die Würmer zeigen will. Ich werde sie zu Viktor bringen.«
»Viktor?« Ich erschrak wohl ein bisschen mehr, als mir selbst klar war, denn Howard sah mich eine Sekunde lang stirnrunzelnd an, ehe er wieder an seiner Zigarre sog, die Asche auf den Boden schnippte und mir eine übel riechende blaugraue Qualmwolke ins Gesicht blies.
»Hast du eine bessere Idee?«, sagte er in mein gequältes Husten hinein. »Ich kann schlecht mit diesen netten kleinen Tierchen zur Universität spazieren und sie einem x-beliebigen Biologieprofessor zeigen, oder? Wir müssten eine Menge Fragen beantworten.«
Zweifellos hatte er Recht damit – aber ich hatte die Umstände nicht vergessen, unter denen wir Howards altem Freund Viktor das letzte Mal begegnet waren. Vorsichtig ausgedrückt: Er war wahrscheinlich nicht besonders gut auf uns zu sprechen.
»Das mag sein«, sagte Howard, nachdem ich endlich wieder weit genug zu Atem gekommen war, um meine Bedenken auch laut ausdrücken zu können. »Aber er ist kein Narr. Er ist sicher sehr verärgert über das, was du und ich ihm angetan haben, aber erstens weiß er auch, dass es nicht absichtlich geschah, und zweitens spielt das wirklich keine Rolle – nicht bei der Gefahr, die diese Geschöpfe bedeuten können. Außerdem ist er einer der besten Wissenschaftler, die ich kenne.«
Auch das entsprach sicher der Wahrheit – immerhin hatte Viktor Frankenstein das Unmögliche geschafft, und mich nach mehr als fünf Jahren von den Toten zurückgeholt. Ein ungutes Gefühl jedoch blieb trotzdem und ich kannte Howard gut genug, um zu wissen, dass er sich von seinem einmal gefassten Vorsatz nicht mehr würde abbringen lassen.
Außerdem war ich wirklich hundemüde und sehnte mich nach meinem Bett. Der morgige Tag würde sicher nicht minder anstrengend als der heutige werden und ich würde einen klaren Kopf brauchen.
Wir schwiegen, bis wir das Hotel erreichten, wo ich mich von Howard verabschiedete und ausstieg. Ich blickte mich suchend auf dem Gehsteig um, halbwegs davon überzeugt, dass der Kater auch diesmal wieder auf mich warten würde, doch ich konnte ihn nirgendwo entdecken. Anscheinend hatte das Tier mich doch nicht so sehr ins Herz geschlossen, wie ich geglaubt hatte. Fast ein wenig enttäuscht, betrat ich das Hotel.
Dass irgendetwas nicht stimmte, wurde mir schon klar, als ich aus dem Aufzug stieg und noch bevor ich um die Biegung des Hotelflures bog, hinter der mein Zimmer lag. Ich hörte Lärm und die aufgeregten Stimmen von mindestens vier, fünf
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