Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Ohne den jungen Beamten wären wir wahrscheinlich niemals auch nur bis in Cohens Nähe gekommen.
Der Inspektor erwartete uns in der weitläufigen Höhle, in der ich ihn auch gestern angetroffen hatte. Auch dieser Raum hatte sich radikal verändert – er war jetzt taghell erleuchtet und außer Cohen hielten sich noch mindestens acht oder neun weitere Personen hier auf. Was mir nicht besonders gefiel. Nicht, wenn ich daran dachte, was ich hier vielleicht finden würde.
Aber das waren nicht die einzigen Veränderungen. Es gab noch eine weitere, sehr viel radikalere, die mir allerdings im ersten Moment gar nicht auffiel.
Und als ich sie bemerkte, da blieb ich wie vom Donner gerührt stehen. Ich konnte selbst spüren, wie meine Augen ein Stück weit aus den Höhlen quollen. Meine Hände begannen zu zittern.
»Was ist los?«, fragte Howard alarmiert. »Was hast du?«
Ich antwortete nicht, sondern starrte weiter wie gelähmt auf die gegenüberliegende Wand der Höhle. Präzise ausgedrückt, auf das gewaltige Felsenrelief, das dort erschienen war, wo ich am gestrigen Morgen nichts als gewachsenen Stein erblickt hatte …
»Ah, Mister Craven!« Cohen kam mir armwedelnd entgegen. »Endlich! Wo waren Sie denn nur die ganze Zeit?«
Ich hörte seine Worte, aber ihre Bedeutung drang irgendwie nicht richtig an mein Bewusstsein. Unverwandt starrte ich das Relief an. Es war nicht irgendein Relief. Es war ein Durcheinander von Linien und Kreisen, Wellen und Parallelen, beinahe umrisslosen Formen und bizarren Gestalten, ein … Ding, das man kaum länger als einige Sekunden ansehen konnte, ohne dass einem schwindelte, und das sich in beständiger wogender Bewegung zu befinden schien. Und vor allem: Es war ein Bild, das ich kannte.
Es handelte sich um das gleiche Relief, das ich bei meinem Ausflug in das Labyrinth unter der Felseninsel gesehen hatte!
Das Relief, von dem die beiden Steinbrocken stammten, die ich in der Tasche trug!
»Unglaublich, nicht?«, fragte Cohen, der mein Schweigen und meinen entsetzten Blick wohl vollkommen falsch deutete. »Wir alle waren gestern fast den ganzen Tag hier unten und keiner von uns hat es gesehen! Dabei war es nur unter ein paar Zentimetern Schmutz verborgen.«
Ungläubig starrte ich ihn an. »Schmutz?«
Cohen nickte heftig. »Wir mussten nur ein bisschen kratzen, um es zum Vorschein zu bringen. Stellen Sie sich das nur vor! Um ein Haar hätten wir diesen Raum wieder versiegelt und es wäre nie gefunden worden.«
Und das wäre auch besser gewesen, dachte ich. War Cohen wirklich so blind oder wollte er nicht sehen, was für eine Art Bild das war? Es war nicht irgendein Bild. Es war ein Relief, das von den GROSSEN ALTEN oder ihnen sehr ähnlichen Wesen geschaffen worden sein musste, und wie alles, was der Hinterlassenschaft dieser Dämonenrasse entsprang, konnte es nur Übles hervorbringen.
»Sie müssen sich irren, Inspektor«, sagte Howard. Er deutete auf das Bild und auch wenn er nichts von dem aussprach, was er dabei wirklich empfinden mochte, so sprach sein Gesichtsausdruck doch Bände. Er hatte das bizarre Gebilde im gleichen Moment identifiziert wie ich. »Ich habe diese Wand heute Morgen höchstpersönlich untersucht. Sie bestand aus massivem Fels. Da war kein Schmutz, unter dem das da verborgen gewesen sein könnte!«
»Das dachte ich auch«, antwortete Cohen. Er schüttelte den Kopf. »Aber wir müssen uns wohl beide getäuscht haben. Ich meine: Das Ding kann ja schließlich nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht sein, oder?«
Ganz genau das war es. Aber ich ersparte es mir, das laut auszusprechen. Zögernd trat ich an Cohen vorbei und näherte mich dem gewaltigen Steinrelief, das die gesamte Rückwand der Höhle vom Boden bis unter die Decke ausfüllte. Es kam mir größer vor, als ich es in Erinnerung hatte, auf eine schwer in Worte zu fassende Weise gewaltiger und vor allem gewalt tätiger, aber es war zweifellos das gleiche Relief, das ich in den Gängen unter der Insel gesehen hatte.
Ich war nicht der Einzige, dessen Interesse dem steinernen Bild galt. Ein gutes Dutzend Männer machten sich daran zu schaffen, kratzten mit kleinen Werkzeugen oder auch den bloßen Händen an dem Stein herum oder standen davor und diskutierten eifrig. Und zumindest einem davon musste meine Neugier wohl aufgefallen sein, denn er unterbrach plötzlich sein Gespräch und trat auf mich zu.
»Kennen wir uns?«, fragte er. »Sie sind …« Seine Augen weiteten sich ungläubig und ich konnte
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