Hexer-Edition 24: Das Haus der bösen Träume
schien sich in diesen Wänden eingenistet zu haben, etwas, das ich weder hören noch sehen, dafür aber umso deutlicher spüren konnte. Mein Herz begann zu rasen. Die Schatten schienen sich dichter um mich und den kleinen Flecken Helligkeit, den die Kerze verbreitete, zusammenzuballen – und es waren nicht nur die Schatten. Irgendetwas grenzenlos Böses lauerte im Schutz der Dunkelheit, ich konnte es deutlich spüren.
Von Merlin war nichts mehr zu entdecken. Ich fuhr herum und hastete zur Tür zurück – nur um gleich darauf erneut mit einem erstickten Schrei zurückzuprallen, als ich das Netz in der Türöffnung sah. Es handelte sich um ein Spinnennetz, allerdings unterschied es sich von jedem anderen, das ich je gesehen hatte. Die Fäden waren fast fingerdick, schwarz und glänzten schleimig. Zudem befanden sie sich in schwacher Bewegung, als würden sie von innen heraus pulsieren.
Die Spinne, die das Netz geschaffen hatte, kauerte in seinem Zentrum, doch ebenso wie ihr Werk war auch sie viel zu groß, ein schwarz behaartes, beinahe doppelt faustgroßes Etwas mit zahlreichen Beinen, das mich aus schillernden Facettenaugen boshaft anstarrte.
Eine eisige Hand schien über meinen Rücken zu streichen und ich brauchte all meine Kraft, um den Ekel niederzukämpfen, der mir die Kehle zuschnürte.
Noch bevor ich mein Entsetzen überwinden konnte, fiel ein pelziger Ball von der Decke herab und landete auf meiner Schulter: eine weitere Spinne, die zwar nicht ganz so groß, aber ebenso hässlich wie das Tier im Netz war. Mit einem gellenden Schrei prallte ich zurück und fegte sie mit der Hand weg.
Gleichzeitig schien die kleine, helle Oase um mich herum kleiner zu werden, als ob die Schatten das Licht verschlingen und näher kriechen würden, doch es war keine Dunkelheit. Mein Magen krampfte sich zusammen und schien sich in einen Eisklumpen zu verwandeln. Zwei, drei Sekunden lang war ich vor Grauen wie gelähmt, als ich sah, was da wirklich wie ein lebender, schwarzer Teppich auf mich zugekrochen kam.
Es mussten Hunderte, wenn nicht Tausende von Spinnen sein, eine kribbelnde, haarige Masse, die wie eine zähflüssige Woge langsam näher schwappte. Noch zögerten die Tiere jedoch.
Im nächsten Moment fielen fünf, sechs weitere pelzige Bälle von der Decke auf mich herab und dies schien auch für die übrigen Spinnen das Angriffssignal zu sein. Urplötzlich gaben sie ihre bisherige Zurückhaltung auf und stürzten sich wie eine schwarze Flutwelle auf mich.
Ich begann wie von Sinnen zu schreien, war nicht mehr Herr meiner Sinne. Ekel und Abscheu waren stärker. Ich ließ die Kerze fallen und schlug wild um mich, um die Spinnen von meinem Körper zu fegen. Die Kerze verlosch, als sie auf den Boden prallte, und die nachfolgende Dunkelheit machte alles noch schlimmer. Blindlings taumelte ich herum, spürte überall auf meinem Körper die Berührungen unzähliger tastender Spinnenbeine.
Ich prallte rücklings gegen ein Hindernis, das nachgiebig und zugleich auch zäh war, und im gleichen Moment konnte ich mich nicht mehr bewegen. Mit einem Rest meines Verstandes begriff ich, dass ich direkt in das Spinnennetz gerannt war. Ich versuchte mich loszureißen, aber es gelang mir nicht. Die Fäden waren fest wie Draht und die schleimige Flüssigkeit darauf klebte wie der beste Leim.
Etwas berührte mein Gesicht, so sanft wie eine Feder nur, und eine neue Woge des Ekels durchfuhr mich. Der ersten Berührung folgte eine zweite, eine dritte … Das bloße Wissen, dass es sich bei den Berührungen um das Tasten haariger Spinnenbeine handelte, trieb mich schier in den Wahnsinn.
Noch einmal bäumte ich mich auf, stemmte mich mit schier übermenschlicher Kraft gegen das Netz und im nächsten Augenblick zerriss grelles Licht die Dunkelheit um mich herum.
Wenn es etwas gab, was Sir Geoffrey Winningham verachtete, so waren es Schwäche und Weichlichkeit, und das in jeder Beziehung. Stärke, Unnachgiebigkeit und eiserne Disziplin sich selbst und anderen gegenüber waren sein Credo. Der Schwache ging unter, dafür war schon das Tierreich ein lehrsames Beispiel. Nur der Starke vermochte sich zu behaupten. Und was für das Tierreich galt, das galt in ebensolchem Maße für die menschliche Gesellschaft.
Er entstammte einer der ältesten und angesehensten Familien Englands, doch zu viele seiner Vorfahren hatten sich auf diesen Vorzügen, die ihnen von Kindheit an in die Wiege gelegt worden waren, ausgeruht. Faulheit, Schwäche und
Weitere Kostenlose Bücher