Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
Vom Netzwerk:
Reichtümern schwelgt. Seine Lebenseinstellung wird im ersten Satz des Buches zusammengefasst: »Oft ist es dir zu anstrengend, etwas zu sagen.«
    Mitten zwischen Menschen und doch völlig allein spielt sich Marco H.s unspektakuläres Dasein ab, und nur sein schräger Nachbar im Apartmenthaus in Montreal gibt ihm ein wenig zu denken, denn der scheint geradezu krankhaft menschenscheu zu sein. Und ein wenig unheimlich auch.
    Als Marco H. ein Haus in Deutschland geerbt und sich zur Abreise entschlossen hat, meldet sich eben jener Nachbar per Brief mit der merkwürdigen Offenbarung zu Wort, dass er mittels eines lückenlos funktionierenden Systems verborgener Kameras über jede Bewegung aller Bewohner jenes Montrealer Hauses, also auch über die von Marco H., jederzeit umfassend informiert gewesen sei. Und dass er sehr erfreut sei, auf diese Weise seine Bekanntschaft gemacht zu haben: »Sie sollen wissen, dass Sie mit einem gewissen Abstand mein Lieblingsnachbar waren …«
    Der Voyeur lobt sein Opfer.

    Mit solcherart abartig-zweifelhaften Komplimenten heillos überfordert, nimmt Marco in der tiefsten südwestfälischen Provinz – Wittgenstein eben – das uralte Haus entgegen, das ihm eine kaum bekannte Großtante hinterlassen hat. Südwestfalen ist, wenn man
erst mal da ist, offenbar noch viel provinzieller, als es sich anhört. Eher aus Langeweile denn aus Notwendigkeit akzeptiert Marco H. einen Job in einer Taxizentrale und erfährt dort von dem Serienmörder, der in der Gegend sein Unwesen treibt. Die Tatwaffe ist immer dieselbe: ein Auto.
     
    Irgendjemand fährt umher und nietet des Nachts Menschen um, die am Straßenrand unterwegs sind. Wer soll schon herausbekommen, wer der Täter ist, wenn nicht ein Taxifahrer?
    Im geerbten Haus taucht unterdessen der Geist der Erbtante auf. Dieser wirkt lebendiger als die meisten Provinzler, mit denen Wittgenstein eher tapeziert zu sein scheint, als dass es da echte Menschen gäbe. Auch der Exnachbar aus Montreal meldet sich wieder. Und er weiß immer noch Bescheid, ebenso gespenstisch wie die verschiedene Großtante.
    Der Autor lässt seinen (Anti-)Helden langsam an der Wirklichkeit verzweifeln. Dabei kommt Marco H. auf seltsame Ideen: »Er könnte ein anderer werden, er könnte eine Steckdose abschrauben und in den Kabeln nach Strom suchen. Den Dingen auf den Grund gehen.« Genau das tut er, wenn auch auf ungewöhnlichen Wegen. Die sind so seltsam – und auch ein wenig schräg – wie das ganze Buch, bei dem nicht so recht klar wird, ob es um die Geschichte geht, die Raouf Khanfir erzählt, oder ob diese kauzige Geschichte nur ein Vorwand ist, um immer wieder merkwürdig widerborstige Sätze ins Bewusstsein des Lesers zu träufeln. »Vor Jahrhunderten schon sind Langeweile und Blutdurst bei ihnen eine unheilige Allianz eingegangen«, heißt es etwa über die Wittgensteiner, und
über eine Frau: »Sie muss nicht mal mehr den Mund aufmachen, um recht zu haben.« Platsch.
    Dass er das Leben der Wittgensteiner, ihren Tod am Straßenrand und das Gespenst in seinem alten Haus genauso voyeuristisch beobachtet und registriert wie sein Montrealer Nachbar ihn selbst, fällt Marco H. gar nicht auf. Der Leser hingegen wird nach und nach zum Voyeur von Marco H. …
    Als Mitglied der Elektropop-Band Electric Beatniks ist Raouf Khanfir eher für aufgeregt klingende Musik bekannt, doch in seinem ersten Roman – dem man mit der Bezeichnung Novelle nicht zu nahe treten würde – lässt er es eher ruhig angehen. Er verzahnt die Überlegungen von Marco H. mit den immer wahnsinnigeren, aber dennoch lakonischen Gedanken des immer weiter tötenden Mörders: »Rotwild, Schwarzwild, Hunde, Katzen, alles. Irgendwann Leute.«
    Diese Mischung aus banalstem Alltag und schräger Weltsicht ist es, die dem Buch jene Spannung gibt, die ein phantastischer Krimi braucht. Zumal am Ende Marco H. selbst in dem Mercedes-Stern auftaucht, durch den der Verbrecher seine Opfer anvisiert.
    Allerdings ist das Buch etwas mehr als nur ein Krimi. Denn man kann sich beizeiten zusammenreimen, wer der Mörder ist, und es bleibt dennoch spannend. Genau wie das Rätsel um die verstorbene Großtante.
    Karsten Kruschel
    STEPHEN KING
DER ANSCHLAG (11/22/63)
    Roman · Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner · Wilhelm Heyne Verlag, München 2012 · 1056 Seiten · € 26,99
     
    In der Einleitung zur von ihm herausgegebenen voluminösen Aufsatzsammlung »Dawn of an Evil Millenium. Horror/Kultur im neuen Jahrtausend«

Weitere Kostenlose Bücher