Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
noch: Um die totale Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem Westen aufzuzeigen, sollte mit Sputnik II erstmals ein Lebewesen von der Erde aus ins All geschossen werden. Der Zeitplan war mörderisch; an einen Menschen in der Raumkapsel war unter diesen Bedingungen nicht zu denken (es sollte noch bis 1961 dauern, ehe mit dem Kosmonauten Juri Alexejewitsch Gagarin der erste Mensch ins All flog). Doch zum Glück gab es ja den besten Freund des Menschen, der den Zweibeinern auf vier Pfoten den Weg ins All ebnen sollte …
So wurde aus dem hitzigen Wettrennen zum Mond ein Wettrüsten mit kalter Schnauze. Viele Tests wurden gemacht, viele Hunde in Kapseln und andere Gerätschaften gesetzt – und nicht alle Vierbeiner kehrten auch wieder in ihren Käfig zurück. Am Ende schoss man mit Sputnik II in einer kleinen Raumkapsel die Mischlingshündin Kudrjawka (»Löckchen«) in den Weltraum, die erst in der Endphase des ehrgeizigen Projekts in Laika (»Kläffer«) umgetauft wurde. Eine Rückfahrkarte besaß Laika dabei von Haus aus nicht – das unbarmherzige Zeitkorsett ließ keine Ausarbeitung eines Rückholplans zu. Laika starb dann auch bereits nach fünf Stunden im Weltall aufgrund der Überhitzung ihrer Kapsel. Als
Held, wie die Propagandamaschinerie der Sowjets versicherte – qualvoll, wie sich die erschütterte Weltöffentlichkeit sicher war.
Die Obrigkeit der Sowjetunion blieb jedoch lange Zeit bei der ursprünglichen Propagandalüge, dass Laika vier Tage im All überlebt und unverzichtbare wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert hatte, ehe sie wie vorgesehen an einer Giftration in ihrem Futter gestorben sein soll. Doch schon 1957 ging, gänzlich unbeeindruckt von solch überschwänglichen Reden im Äther über dem Kreml, ein Aufschrei durch den Rest der Welt. Erst Ende der Neunziger räumte man schließlich auch in der ehemaligen Sowjetunion ein, dass Laikas Heldentod beschönigt worden war und doch keine großartigen, elementaren Erkenntnisse für die Raumfahrt-Forschung geliefert hatte, wie es ursprünglich einmal hieß.
Als 2002 weitere neue Informationen ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, war für Comic-Künstler Nick Abadzis endlich die Zeit gekommen, die Geschichte als Graphic Novel umzusetzen. »Dass das eine gute Story ist, wusste ich schon, seit ich sechs Jahre alt war«, sagte er einmal in einem Interview. Mit den neuen Infos und dem 50-jährigen Jubiläum der Sputnik -Erfolge vor Augen, schuf er 2007 also seinen Comic-Roman Laika .
Wie bei der zweiten Sputnik -Mission führte die geplante Veröffentlichung zu just diesem geschichtsträchtigen Datum jedoch zu einem äußerst straffen Zeitplan: Ursprünglich hatte Abadzis sogar eine Trilogie mit dem Stoff im Sinn gehabt. Doch da das 50-jährige Sputnik -Jubiläum inzwischen viel zu nahe war, um eine dermaßen umfassende Reflexion der Ereignisse zu realisieren, dampfte er seinen Handlungsentwurf ordentlich ein und schrieb und zeichnete in acht Monaten 200 Comic-Seiten. »Es wäre stark untertrieben, es als extrem harte Arbeit zu bezeichnen«, erinnerte sich der 1965 in Schweden geborene und in England und der Schweiz aufgewachsene Künstler vor einiger Zeit an die Entstehung seines Comic-Denkmals für den ersten irdischen Weltraumpionier auf vier Pfoten.
Dessen Geschichte bereicherte Abadzis für seinen Comic um eine recht traurige Herkunftsgeschichte als Straßenköter, die wie viele Szenen im Band von großer, fast schon russischer Melancholie durchzogen ist. Letztlich ist die vorzügliche Mischung aus gut
recherchierten Fakten und anreichernder Fiktion der Trumpf dieser Graphic Novel über einen kleinen Mischlingshund, der vom verschmähten Liebling und einem Leben auf den kalten Straßen seiner Heimat zur Hoffnung im schweißtreibenden Wettrüsten mit Blick auf das Weltall wird. Dafür muss Laika nicht nur in einen Raumanzug schlüpfen oder sich an Gel-Futter gewöhnen, sondern wird auch in einer Zentrifuge und einem Düsenjäger auf ihre G-Kraft-Verträglichkeit getestet. Was für den Hund schon aus logischen Gründen eine Strapaze ist, wird auch für seine Betreuer, denen er ans Herz gewachsen ist, zur Zerreißprobe, obwohl sie eigentlich nur das Wohl des Systems im Sinn haben sollten. Nur selten darf Laika einfach nur Hund sein – etwa wenn der Leiter des Hunde-Projekts bei der Luftwaffe Mitleid mit dem Tier hat, das seinen Raumflug nicht überleben wird, und Laika am Abend vor der Abreise zur streng bewachten
Weitere Kostenlose Bücher