Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Raumschiffkommandant, ein synthetischer Doppelgänger und ein Roboter, was auf eine jüngere Zielgruppe schließen lässt. Norbert Schaeffer hat das Hörspiel aus dem Mitschnitt einer musikalischen Theateraufführung neu arrangiert.
Gleichfalls im Weltraum spielt ein neues Stück von Myra Çakan, die auch nach ihrem 17. SF-Hörspiel die Antwort auf die Frage schuldig bleibt, ob sie nicht schreiben kann oder aber ihre Zielgruppe
so einschätzt, dass sie so schreiben muss, wie sie schreibt. Xanadu spielt auf einem Saturnmond, keiner weiß warum, und die Spannung beruht allein darauf, dass der Hörer bis zum Showdown vergeblich auf Spuren einer Inspiration oder inneren Logik wartet.
Im Weltraum enden lässt der finnische Autor Arto Paasilinna seine Komödie, in der die Ölindustrie dem Erfinder einer Perpetuum-Mobile-verdächtigen Energiequelle einen Mafiakiller auf den Hals hetzt. Adams Pech, die Welt zu retten , besteht darin, dass der höchst ungeschickte Killer genau in dem Moment doch noch triumphiert, als der Ingenieur dank seiner Erfindung im Erdorbit angekommen ist.
Eine Orbitalstation ist auch Schauplatz von Nachtbrenner , einem weiteren Hörspiel von Myra Çakan, in dem reichlich naive weibliche Zwangsrekruten einen Krieg gegen Aliens zu führen glauben, bis sie am Ende erfahren müssen, dass es sich in Wahrheit um einen Weltkrieg handelt.
Noch ein Krieg auf der Erde, offenbar in Teilen Europas, bildet den Hintergrund des bewegenden Hörspiels Dolphins , doch hier wird der Krieg nur skizziert, über Ursachen und Hintergründe erfahren wir nichts. Florian Flicker und Wolfgang Stahl geht es vielmehr um das Leid von Menschen, vor allem von Jugendlichen, auf der Flucht. Indem die Autoren Flüchtlingslager, Ausbruchsversuche, Grenzübertritte, Minenfelder und enttäuschte Hoffnungen in unser eigenes Land verlagern, lassen sie uns hautnah mitfühlen, was wir sonst nur mit pflichtschuldiger Betroffenheit aus den Medien erfahren.
Mit den Folgen von Flucht und Migration befasst sich auch das Künstlertrio Jonathan Meese, Henning Nass und Bernhard Schütz. In Illegale Publikationen ist das »Zeitalter der Massen« ausgerufen. Italien ist Teil des afrikanischen Kontinents geworden, Europa gleicht einer Festung. Von »Neo-Tripolis« aus, vormals Bern, macht sich eine Expedition auf, im Herzen der libyschen Wüste einen »abtrünnigen Antidemokraten« zur Strecke zu bringen. Das Ungewöhnliche an diesem Stück ist, dass es auf Essays und Prosa von Muammar al-Gaddafi basiert. Gaddafi-Texte als Vorlage für ein Science-Fiction-Hörspiel – wenn das nicht utopisch ist!
Mit der in vier Besatzungszonen aufgeteilten Schweiz, jetzt freilich ohne Alphörner, schließt sich der Kreis.
Postskript 1
»Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland genießt Verfassungsrang. … Jährlich bringen die Menschen in Deutschland rund 7,4 Milliarden Euro dafür auf, dass sie eines der besten und vielfältigsten Rundfunkangebote nutzen können, die es derzeit weltweit gibt … Programmvielfalt, um die uns viele beneiden … Öffentliche Daseinsvorsorge spielt in den marktradikal organisierten Systemen eine immer geringere Rolle – Kultur und Medienvielfalt verfallen sichtbar und die Menschen merken das in ihrem Alltag, in Italien wie in Ungarn, in Frankreich wie in den USA. … Letztlich sind die Sender eben genau nicht der Quote, sondern der Vielfalt, der Qualität … verpflichtet.«
Oliver Keymis: Akzeptanz, Qualität, Transparenz
in: FUNK Korrespondenz 40/2011
Postskript 2
»Das Radio … ist ein Ding, bei dem so ziemlich alles auf der anderen Seite wieder herauskommt, was man auf der einen Seite hineingestopft hat: … Wenn vorn niemand Kunst hineinsteckt, dann kommt auch hinten keine Kunst heraus, egal wie teuer und wie toll die Technik zwischendrin ist.«
Markus Collati: Wohin gehst du, Hörspiel?
in: FUNK Korrespondenz 52/2011
Postskript 3
»Denn es gehört ja zu den Genüssen feinerer Art, immer nur so viel Geist, Vitalität, Intensität anzutreffen, als man selber einzubringen vermag.«
Dieter Hasselblatt
Horst G. Tröster
STANISŁAW LEM
DER ELEKTROBARDE
Adaption, Komposition, Realisation: Martin Bezzola · Hochschule der Künste Bern / Martin Bezzola 2007 · 2011 vom Schweizer Radio DRS urgesendet
Ich fürchte, dies wird keine Hörspiel-Rezension, weil … Aber nein, beginnen wir mit den halbwegs gesicherten Fakten.
In der makellosen Ansage der
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