Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

die sich in einem herrlichen Gangsta-Slang vergeblich mühen, im Warenhaus ein Sprachupgrade zu erstehen.
    Sprache als dankbares Objekt der Manipulation zählt spätestens seit Orwell zum Kanon der Science Fiction. In Till Müller-Klugs Satire kann man sich Sprachupgrades aller Art, von der kostenlosen Sparsprache bis zum exklusiven Hochleistungsdeutsch, vom
Sprachlabor Babylon direkt ins Sprachzentrum hochladen lassen. Ein intelligentes und witziges Hörspiel, das sich über sprachliche Attitüden und Torheiten lustig macht und ausgerechnet eine künstliche Intelligenz als Rebell antreten lässt.
    Auch für die PR-Branche ist Sprache unverzichtbar. Und Tiere sind fast immer Garanten für eine erfolgreiche Marketingstrategie. Nur: Tiere können eben nicht sprechen. Oder doch? Zum Glück gibt es experimentierfreudige Gentechniker und das Sprachgen FOXp2 . Das Tier spricht und beschert in Frank Naumanns Satire einer kleinen Werbeagentur die durchschlagendste Kampagne aller Zeiten.
    Ein Schwarm fluoreszierender Mücken, die sich zu einer Leuchtreklame formieren – auch das Hörspielfeature Supercell spekuliert über die Verwendung manipulierter Tiere für Werbezwecke. Mareike Maage lädt den Hörer in ein virtuelles Warenhaus ein, in dem Produkte der synthetischen Biologie feilgeboten werden, auf die die Evolution noch nicht gekommen ist.
    Vollends befreit von den Zwängen der konventionellen Evolution haben sich die Tiere in Dietmar Daths Opus maximum Die Abschaffung der Arten . Die »Gente«, wie sie sich nennen, können jede beliebige Gestalt annehmen, interessieren sich für Wissenschaft, Kunst und Philosophie, führen Kriege und betreiben Raumfahrt, während die menschliche Zivilisation, abfällig als »Zeit der Langeweile« abgetan, Geschichte ist. Über den Roman wurde viel geschrieben. Ernst Petz dagegen reflektiert in seiner Rezension das Werk von Ulrich Lampen, der aus 555 Buchseiten 643 Hörspielminuten gemacht hat.
    Tiere und genetische Manipulationen spielen auch in einem vom Berliner Mediendienstleister Raumstation kollektiv entwickelten Hörspiel eine Rolle. Das Omega-Prinzip ist die Philosophie einer Kommissarin, einen Kriminalfall unbeirrt bis zu seinem bitteren Ende auszurecherchieren, auch wenn sich dabei Abgründe auftun, die den Menschen selbst zur Disposition stellen. Formal ungewöhnlich an diesem Krimi ist, dass er in dreißig Häppchen zu je drei Minuten über sechs Wochen hinweg im Musikprogramm zweier Jugendradios serviert wurde.
    Genmanipulierte Lebewesen scheinen auch in einer weiteren Produktion eine Rolle zu spielen. Die blauen Schafe , Rieseninsekten
und andere Absonderlichkeiten versetzen eine Gruppe Studenten in Panik und lassen sie an ihrem Verstand zweifeln. Sollte es sich um Einbrüche einer Parallelwelt handeln oder um Komplikationen eines Experiments, an dem sie freiwillig teilgenommen haben, eines Experiments, mit dem getestet werden sollte, ob sich menschliche Gehirne durch Übertragung von Neurotransmittern zu einem Verbund schalten lassen? Raffiniert und spannungsreich jongliert Bodo Traber in seinem neuen Hörspiel mit verschiedenen Realitätsebenen und vermeintlicher Wirklichkeit, die bei den Probanden und nicht zuletzt beim Hörer einen totalen Realitätsverlust zur Folge haben.
    Über Manipulationen am menschlichen Gehirn haben sich auch Sebastian Büttner und Oliver Hohengarten Gedanken gemacht. In ihrem »transmedialen« Stück Alpha 0.7 – Der Feind in dir , einem Fernsehspiel, dessen Fortsetzung dann als Hörspiel realisiert wurde (vorgestellt in DAS SCIENCE FICTION JAHR 2011), arbeiten Politik und Industrie gemeinsam an der totalen Observation. Nur wer sich einer Art zerebralen »Schufa« gegenüber als unbedenklich ausweisen kann, wird als »Trusted Citizen« anerkannt.
    Auch bei Helmut Mittermaier existiert eine Allianz aus Politik und Wirtschaft, deren Machtapparat von einer Gruppe junger Aktivisten mit kreativem Witz sabotiert und deren Propaganda der Lächerlichkeit preisgeben wird: :am Dienstag um neun sind die Erdbeeren reif . Die anachronistische und deshalb sicher geglaubte Analogtechnik von Telefon und Anrufbeantworter ist ihr einziges Kommunikationsmittel, durch das auch der Hörer zum Mitwisser wird.
    Um Machtanspruch in ganz anderen Dimensionen, gar um die Herrschaft über die ganze Welt, geht es in Kommander Börte von Felix Behrendt, Jan Liedtke und Johan Hess. Zum Personal gehören ein kleines Mädchen, ein bitterböser Bösewicht, ein mutiger