Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Rundfunk und den Rundfunk Berlin-Brandenburg im Einsatz waren. Ausgestrahlt wurde der Vielteiler von den Jugendradios YouFM (HR) und Fritz (RBB) werktäglich an frühmorgendlichen und abendlichen Sendeplätzen vom 7. November bis zum 16. Dezember 2011, und zwar immer genau dort, wo die Hörer dem Gewohnheitsrecht nach eigentlich ein weiteres Musikstück im durchformatierten Radioprogramm erwarten durften: Hörspielschnipsel, die nicht nur ein solches ersetzten, sondern auch noch ziemlich genau dessen Dauer hatten.
»Das Omega-Prinzip trifft den Zeitgeist«, kommentierte Simon Hurtz in der Frankfurter Rundschau , »im klassischen Nebenbei-Medium Radio haben es Hörspiele schwer. Die Produktion ist teuer, und immer weniger Zuhörer schalten ein.« Und weiter: »Drei Minuten vergraulen nicht viele Zuhörer. Wen es nicht interessiert, der schaltet einfach kurz auf Durchzug.« Na dann. Wenn das so ist. Schließlich soll ja niemand gegen seinen Willen mit Hörspielen belästigt werden. Nicht viele Hörer zu vergraulen, ist doch auch schon ein schöner Erfolg. »Sag ich doch«, wie Jonas und Melek in solchen Fällen anzumerken pflegen.
Günther Wessely
MYRA ÇAKAN
NACHTBRENNER
Regie: Alexander Schuhmacher ·Südwestrundfunk 2011
Vom Mars aus bedrohen außerirdische Invasoren die irdische Zivilisation. Junge Frauen werden vom Militär zwangsrekrutiert, um in Gefechtsständen auf Orbitalstationen die Invasoren mit Fernlenkwaffen zurückzuschlagen. Obwohl der Kampfeinsatz virtuell ist, besteht aufgrund der psychischen Anspannung in Verbindung mit aktivierenden »Beschleunigerdrogen« dennoch akute Lebensgefahr. Eine junge Rekrutin stellt sich die Frage, wie ein virtueller Kampfeinsatz in Echtzeit möglich sein soll, wenn doch die Steuersignale von der Erde zum Mars »fast eine halbe Stunde« unterwegs sein müssen. (Tatsächlich wären es bei kürzester Entfernung Erde – Mars drei Minuten, bei größter Entfernung 22 Minuten, wobei die Zeit zu verdoppeln ist, da für einen ferngesteuerten Einsatz der Signalweg hin und zurück gerechnet werden muss.)
Spätestens hier beginnt das Kartenhaus des Plots kläglich in sich zusammenzustürzen. Was eine junge Rekrutin herauszufinden vermag, sollten doch Wissenschaftler, Journalisten, Pazifisten, Oppositionelle und selbst gewöhnliche Bürger durchschnittlicher Bildung schon längst herausgefunden und also den Verantwortlichen unangenehme Fragen gestellt haben – selbst dann, wenn man ein restriktives, totalitäres System unterstellt. Umgekehrt muss man fragen, wie dumm ein Militärapparat sein müsste, um ein solches Märchen in die Welt zu setzen und allen Ernstes davon auszugehen, dass ihm niemand auf die Schliche kommt. Denn um ein Märchen handelt es sich tatsächlich. Es gibt – man hat es geahnt – keine Aliens, die virtuellen Einsätze dienen einem mit Lenkwaffen ausgetragenen Weltkrieg.
Aber das ist nicht die einzige Schwachstelle dieses akustischen Kartenhauses. Es genügt vollkommen, Zeitung zu lesen, um sich klarzumachen, dass Lenkwaffen keine Leitstellen im Orbit brauchen. Das war bei den Cruise Missiles des 20. Jahrhunderts so, und das wird im 22. Jahrhundert kaum anders sein. Auch der Einwand, Orbitalstationen seien vor Angriffen besser geschützt, ist Teil des Kartenhauses, denn unbewegliche Objekte in einer Umlaufbahn wären ein denkbar leichtes Ziel – was die Autorin am Ende ja auch vorführt –, ganz anders als atomwaffensichere Bunkeranlagen unter der Erdoberfläche.
Ungereimtheiten gibt es noch weitere, man denke nur daran, mit welch geringem Aufwand Menschen in ausgebombten Städten herausfinden könnten, dass die auf sie abgefeuerten »Lichtspeere, Marschflugkörper und Feuerfliegen« nicht vom Mars, sondern ganz prosaisch von der militärischen Gegenseite stammen. Die größte und peinlichste Fehleinschätzung der Autorin ist freilich ihre Annahme, die militärische Führung hätte auch nur den geringsten Anlass, ihre Feldzüge mit irgendwelchen an den Haaren herbeigezogenen Legenden zu verschleiern. Das hatten die deutschen und italienischen Faschisten ebenso wenig nötig wie in früheren Jahrhunderten die europäischen Kolonialmächte, die spanischen Konquistadoren oder die römische Kurie, im Gegenteil. Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs waren die Radiosender und Wochenschauen übervoll von Siegespropaganda. Die
Besatzung des B29-Bombers Enola Gay traf sich noch Jahrzehnte nach dem Abwurf der Hiroshima-Bombe, um den Jahrestag
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