Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Cahill und Marling treiben das Doppelgänger-Motiv quasi global auf die Spitze und erzählen stellvertretend vom Identitätsverlust ihrer Protagonistin, der an Selbstaufgabe grenzt. Rhodas einzige Hoffnung ist, dass ihre Doppelgängerin auf Erde 2 nicht denselben Fehler begangen hat wie sie. Daher bewirbt sie sich für einen freien Platz an Bord eines privaten Raumschiffs, das zu dem neuen Planeten aufbrechen will. Doch gleichzeitig nimmt sie Kontakt zu John Burroughs (William Mapother) auf, dem Mann, dessen Familie sie auf dem Gewissen hat. Und legt damit ganz unbewusst den Grundstein
für eine wesentlich irdischere Alternative zu ihrer verzweifelten Flucht.
In gewisser Hinsicht ist Another Earth eine Mischung aus der melancholisch-naiven Weltraumsehnsucht, die Ray Bradbury in den Fünfzigern in Vollendung beschrieb, mit dem »Inner Space«, den die literarische SF in den späten Sechzigern entdeckte, erzählt mit den Mitteln des US-Indie-Kinos. Und damit ist nicht die kuschelig-bunte Zooey-Deschanel-Version gemeint, sondern eine stahlblaue, unbequeme und deutungsoffene Variante, die auch Scheitern billigend in Kauf nimmt. Statt Hipstern gibt es depressive Putzen, statt Vampire Weekends nettem Pop einen mal energetischen, mal klassischen Score des Elektronik-Duos Fall on Your Sword, und statt aufgepimptem Erzählkino gibt es filmische Ellipsen. Cahill und Marling, die Another Earth für nur 200 000 Dollar inszenierten, bewegen sich sehr selbstbewusst auf ziemlich dünnem Eis, aber sie brechen nicht ein, sondern steuern auf ein bestechendes Schlussbild zu, das äußerst zwiespältige Gefühle auslöst und lange nachwirkt. Ein grandios getimter und virtuos inszenierter Schock, und dann ist Schluss. Man traut seinen Augen kaum.
Bernd Kronsbein
APOLLO 18
USA/Kanada 2011 · Regie: Gonzalo López-Gallego · Darsteller:
Warren Christie, Ryan Robbins, Lloyd Owen
Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Ein Budget von fünf Millionen Dollar geht zwar nur bedingt als »Not« durch, für diesen Betrag einen Science-Fiction-Film zu drehen, der fast vollständig auf dem Mond spielt, ist dann aber doch wieder nicht ganz einfach. Die Lösung, die die Macher von Apollo 18 für dieses Problem gefunden haben, ist einfach: Eine Schrifttafel zu Beginn des Films behauptet, dass das folgende Material in den Archiven der NASA gefunden wurde und die offiziell nie stattgefundene Mondmission Apollo 18 dokumentiert. Alle Bildfehler, die eingeschränkten Perspektiven, das altertümliche, oft grobkörnige Bildmaterial wird
somit zum Teil der Geschichte, zu einem der beliebten Found-Footage-Filme, wie ihn Matt Reeves etwa in Cloverfield zur Perfektion brachte. Dass zusätzlich eine der beliebtesten Verschwörungstheorien gestreift wird – waren Menschen wirklich auf dem Mond, wurden möglicherweise Informationen verheimlicht? –, verbindet Apollo 18 mit Transformers 3 , der ein ähnliches Konzept benutzte, um die Präsenz von außerirdischen Wesen auf dem Mond zu erklären. Apollo 18 macht es da eine Nummer kleiner. Die Astronauten, die hier auf dem Mond landen, werden von Killerspinnen attackiert! Kein Scherz. Leider. Denn so schön das Konzept auch ist, so originell der spanische Regisseur Gonzalo López-Gallego mit verschiedensten Bildmaterialien arbeitet, der eigentliche Clou der Geschichte erweist sich dann doch als herbe Enttäuschung. Dass das Ganze in schön knackigen 75 Minuten erzählt wird, macht Apollo 18 zwar zu einem kurzweiligen Beispiel für das Kaschieren fehlender finanzieller Mittel, aber hätte die Bedrohung nicht ein klein wenig origineller ausfallen können als Killerspinnen?
Michael Meyns
Immer stolpert man, wenn ein paar Milliarden Leute zusehen.
Apollo 18
ASSAULT GIRLS (ASARUTO GARUZU)
Japan 2009 · Regie: Mamoru Oshii · Darsteller: Yoshikazu Fujiki, Rinko Kikuchi, Meisa Kuroki (DVD-Premiere)
Berühmt geworden durch den legendären Ghost in the Shell , spinnt Mamoru Oshii seither seine futuristischen Konzepte weiter. Assault Girls ist dabei ohne Frage ein Nebenwerk, ein Film, der kaum mehr als die Handlung eines Kurzfilms auf knapp über eine Stunde ausdehnt, dabei eindrucksvolle Bilder und Musik zu einem trotz allem sehr unterhaltsamen, wenngleich sehr bizarren Film vermischt. Hauptfiguren sind die Assault Girls, die schon öfter in Oshiis Filmen auftraten. Es sind Frauen, die in virtuellen Welten gegen wurmartige Kreaturen kämpfen. Von der realen Welt sieht man hier nur ein paar einleitende
Weitere Kostenlose Bücher