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Heyne Galaxy 05

Heyne Galaxy 05

Titel: Heyne Galaxy 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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viele Menschen, die ihr Todesdatum so genau im voraus kannten.
    Glescu blätterte in dem Buch.
    Als ich das erste Bild sah, zitterten mir die Knie. Es war ein abstraktes Bild in vollen Farben, von solcher Vollendung und Eindruckskraft, wie ich es mir nie in meinem Leben hätte vorstellen können. Alles, was ich bisher in dieser Art gesehen hatte, kam mir plötzlich wie simples Geschmiere vor. Man mußte das Bild einfach lieben. Es mußte einem gefallen, ob man die abstrakte Kunst mochte oder nicht. Es waren die Farben und Formen, die ins Auge stachen. Ihre Bedeutung spielte keine Rolle. Es war schön, ob man wollte oder nicht.
    Ich fühlte, wie mir die Tränen kamen.
    Morniel sagte verächtlich:
    »Ach – das also meinen Sie? Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?«
    Glescu packte ihn beim Rockaufschlag.
    »Wollen Sie damit andeuten, daß Sie solche Gemälde haben?«
    »Nur eins. Ich vollendete es vergangene Woche. Eine Art Experiment, wenn Sie so wollen. Ich war damit nicht zufrieden und schenkte es einem Mädchen. Wollen Sie sich das Bild ansehen? Das Mädchen wohnt hier im Haus.«
    »Natürlich. Aber wir müssen uns beeilen.«
    Morniel nahm ihm das Buch aus der Hand und warf es auf das Bett.
    »Kommen Sie. Es dauert nicht länger als eine Minute.«
    Während wir die Treppen hinabstiegen, konnte ich mich kaum noch beherrschen. Ein bißchen angeben kann ja jeder, aber was Morniel da machte, war schon mehr als pure Angabe. Soviel ich wußte, hatte er noch nie in seinem Leben etwas zustande gebracht, was den Abbildungen in dem Buch aus der Zukunft auch nur ähnlich sah. Es war eine Frechheit von ihm, Mr. Glescu gegenüber zu behaupten, er habe ein Bild in diesem Stil gemalt. Na, es würde sich ja gleich herausstellen, welchen Bluff er nun wieder aufzog. Der arme Glescu würde erneut enttäuscht werden, davon war ich felsenfest überzeugt.
    Wir hielten vor einer Tür zwei Stockwerke tiefer an. Morniel klingelte, aber niemand kam, um zu öffnen. Er klopfte, aber immer noch keine Antwort.
    »Verdammt!« fluchte Morniel. »Sie muß ausgegangen sein. Dabei hätte ich Ihnen gerade gern dieses Bild gezeigt.«
    »Ich sähe es wirklich gern«, behauptete Mr. Glescu mit neuer Hoffnung. »Vielleicht trägt es die bisher vermißten Züge Ihrer wahren Genialität.« Er blickte kurz auf seine Fingerspitzen. »Aber ich habe nur noch ein paar Minuten.«
    Morniel schnippte mit den Fingern.
    »Wissen Sie was? Ich habe einen Schlüssel zu Anitas Wohnung, weil ich manchmal auf ihre Katzen aufpassen muß. Er ist in meinem Zimmer. Ich laufe schnell hinauf und hole ihn.«
    »Fein.« Mr. Glescu war damit einverstanden. »Aber Sie müssen sich wirklich beeilen.«
    »Darauf können Sie sich verlassen.«
    Als er sich umdrehte, um die Treppen hinaufzulaufen, warf er mir einen schnellen Blick zu. Ich kannte diesen Blick. Er war genau der Blick des Einverständnisses, den er mir immer zuwarf, wenn wir beide »einkaufen« gingen. Er bedeutete: sprich du mit dem Mann und lenke ihn ab.
    Ich begriff.
    Das Buch!
    Er hatte es wie zufällig auf das Bett geworfen. Jetzt wußte ich, daß es kein Zufall gewesen war. Er hatte es dorthin geworfen, damit er es schnell fand, wenn es nötig war. Er lief nun hinauf, um es zu verstecken. Wenn Mr. Glescu in seine eigene Zeit zurückkehren mußte, würde es eben nicht aufzufinden sein.
    Fein ausgedacht. Verflucht fein sogar. Später würde dann Morniel Mathaway die Bilder von Morniel Mathaway einfach kopieren.
    Kopieren, nicht malen!
    Automatisch begann ich zu reden, um Mr. Glescu abzulenken.
    »Malen Sie eigentlich selbst, Mr. Glescu?« fragte ich.
    »Oh, nein, leider nicht. Als ich noch jung war, wollte ich natürlich Maler werden, aber ich nehme an, allen späteren Kritikern ergeht es so. Natürlich unternahm ich in der Jugend einige Versuche, aber sie sind nicht gut. Sie fielen sogar miserabel aus, wie ich ehrlich gestehen muß. Mir fiel es leichter, über Gemälde zu schreiben, statt sie zu malen. Als ich dann die Lebensgeschichte von Morniel Mathaway las, wußte ich, welchen Weg ich einzuschlagen hatte. Nicht nur, daß mich sein Werk faszinierte, es war vielmehr seine Persönlichkeit, die mich auf unerklärliche Art und Weise anzog. Es war, als sei er mein Bruder. Es war, als würde ich ihn kennen. Und das ist es, was ich jetzt nicht mehr verstehe. Er ist so anders, als ich ihn mir vorstellte.«
    »Ja, das glaube ich gern«, sagte ich und nickte verständnisvoll.
    »Es ist klar, daß die

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