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Heyne Galaxy 05

Heyne Galaxy 05

Titel: Heyne Galaxy 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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würde?«
    »Keineswegs. Sagen Sie nur, was ich für Sie tun kann. Mir wird nichts zu schade für Sie sein.«
    Mr. Glescu schluckte, als stünde er vor dem Tor zum Paradies und schicke sich an, dort anzuklopfen.
    »Darf ich eins Ihrer Gemälde sehen? Eins, an dem Sie gerade arbeiten? Der Gedanke, einen originalen Mathaway zu sehen, unvollendet, noch mit feuchter Farbe …«
    Er schloß die Augen, überwältigt von der Größe des Moments und der Gewißheit, daß sich seine geheimsten Wünsche nun erfüllten.
    Morniel stand auf und ging zu seiner Staffelei. Er nahm das Tuch von dem Bild und deutete mit großartiger Geste darauf.
    Seine Stimme war so ölig und salbungsvoll, daß einem schlecht werden konnte.
    »Ich beabsichtige«, verkündete er feierlich, »es Figurative Figuren Nr. 2g zu nennen.«
    Langsam und voller Genuß öffnete Glescu die Augen und starrte auf das Bild. Nach einer Weile sagte er:
    »Aber … das ist doch kein Werk von Ihnen, Mr. Mathaway?«
    Morniel sah ihn verwundert an, widmete sich aber dann seinem Kunstwerk und besichtigte es eingehend.
    »Doch«, versicherte er dann. »Es ist von mir. Figurative Figuren Nr. 2g. Erinnern Sie sich nicht?«
    »Nein«, sagte Glescu. »Ich erkenne es nicht wieder. Und ich bin dem Schicksal dankbar dafür. Kann ich vielleicht noch andere Bilder sehen, ehe meine Zeit um ist?« Er deutete auf das Bild. »Etwas spätere Periode, wenn möglich.«
    »Das ist mein letztes Bild«, sagte Morniel unsicher. »Alle anderen stammen aus früheren Perioden. Hier – vielleicht gefällt Ihnen dieses.« Er zog ein Bild aus einem Stapel und hielt es Glescu vor die Augen. »Ich nenne es Figurative Figuren Nr. 22. Ich glaube, es ist das bedeutendste meiner bisherigen Werke.«
    Mr. Glescu schauderte zusammen.
    »Es sieht aus, als habe man einfach Farbe auf Farbe geschmiert«, stellte er fest.
    »Richtig. Ich nenne es nur ›Schmutz auf Schmutz‹. Aber das müssen Sie ja wissen, denn Sie sind ja eine Autorität auf diesem Gebiet, zumindest was mich angeht. Und hier haben wir Figurative Figuren Nr …«
    »Hören Sie doch endlich mit Ihren Figuren auf«, bat Glescu entsetzt. »Kann ich nicht etwas in wirklicher Farbe sehen, mit Formen, mit Inspiration und Genie?«
    Morniel kratzte sich den Kopf.
    »Ich habe schon lange nichts Derartiges gemalt«, gab er zu. »Aber warten Sie.« Er wühlte in dem Stapel und zog ein anderes Bild hervor. »Da ist etwas aus meiner ›Violetten Marmorperiode‹. Ich habe es nicht verkauft.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, murmelte Glescu, mehr zu sich selbst. »Ich wage zu behaupten, daß …«
    Er schwieg und zuckte die Achseln. Es war ein Achselzucken, das jeder Maler nur zu gut kannte, wenn ein Kritiker seine Werke besichtigte. Es drückte viel aus, das man auch in Worte fassen könnte. Aber die Maler waren meist froh, wenn der Kritiker nur die Schultern zuckte.
    Morniel begann, die Bilder nun hastiger aus den Stapeln zu zerren. Er zeigte sie Glescu, der ab und zu ein heiseres Gurgeln von sich gab, als sei er am Ersticken. Neue Bilder folgten. Und wieder das Gurgeln.
    »Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, wiederholte Glescu schließlich und starrte auf den Boden, der mit Bildern aller Art bedeckt war. »Es muß alles aus einer Epoche stammen, in der Sie noch zu sich selbst und Ihrer Kunst gefunden haben. Was ich wenigstens finden möchte, ist ein Hinweis, eine winzige Spur des schlummernden Genies. Das, was ich bisher gesehen habe …«
    Wieder das Achselzucken.
    »Was halten Sie hier von diesem?« fragte Morniel heiser.
    Glescu hob abwehrend die Hände.
    »Nehmen Sie es weg, bitte.« Er sah auf seine Finger. Der dunkle Fleck zog sich nun schneller zusammen als vorher. »Ich muß Sie bald verlassen. Ich begreife das alles nicht. Aber, meine Herren, ich will Ihnen etwas zeigen.«
    Er ging in seine Maschine, und als er zurückkehrte, hielt er ein Buch in den Händen. Er nickte uns zu, näher zu kommen. Wir gingen hin und sahen ihm über die Schultern. Als er in dem Buch blätterte, konnte ich feststellen, daß die Seiten nicht aus gewöhnlichem Papier bestanden. Es war ein mir unbekannter Stoff.
    Der Titel des Buches lautete: »Die gesammelten Werke von Morniel Mathaway.« Und darunter: »1928 bis 1996.«
    »Bist du neunzehnhundertachtundzwanzig geboren?« fragte ich.
    Morniel nickte.
    »Ja, am dreiundzwanzigsten Mai.«
    Das war alles, was er sagte. Ich wußte, warum. Er rechnete. Achtundsechzig Jahre würde er insgesamt leben. Es gab nicht

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