Heyne Galaxy 06
doch etwas Unvorhergesehenes passierte.
Und natürlich passierte es.
Wir saßen um das Feuer. Die Lampen brannten, weil es dunkel geworden war. Da hörten wir das Geräusch. Später wurde mir dann klar, daß wir es schon vorher gehört hatten, ohne allerdings darauf zu achten oder nach seiner Ursache zu forschen. Es mochte zuerst wie das ferne Säuseln des Windes geklungen haben, harmlos und ohne jede Bedeutung. Dann wurde es lauter, aber mit einer Bedrohung hatte es wirklich nichts zu tun, weil es immer noch zu weit entfernt war. Ein Wind vielleicht, der durch die Blätter eines Baumes wehte. Nur – hier gab es keine Bäume.
Gerade wollte ich eine Bemerkung darüber machen, ob die Schönwetterperiode nun wohl vorbei sei und wir mit einem Gewitter rechnen müßten, als Kemper mit einem Riesensatz aufsprang und zu schreien begann.
Ich weiß nicht mehr, was er schrie und ob er überhaupt verständliche Worte von sich gab, aber der Tonfall allein genügte uns, ebenfalls aufzuspringen und in Richtung des Schiffes davonzurasen, um uns in Sicherheit zu bringen. Noch bevor wir die Leiter erreichten, wurde der Laut intensiver und kam näher. Wir wußten plötzlich, was es war – es war das Donnern von Tausenden von Hufen. Eine Riesenherde raste in vollem Galopp auf das Schiff und unser Lager zu.
Ich schaffte es nicht mehr, weil nicht alle zugleich an der Leiter emporklettern konnten. Hinter mir war die Herde, und sie kam mit jeder Sekunde näher. Tausend verschiedene Rettungsmöglichkeiten zuckten mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch mein Gehirn, aber ich wußte, daß es in Wirklichkeit keine mehr gab – da sah ich das Tau. Es war oben in der Einstiegluke befestigt, und das Ende baumelte wenige Meter vor mir dicht über dem Boden. Ich war nie ein guter Kletterer gewesen, aber als ich mit einem Satz am Seil hing und mich hochzog, begann ich meine turnerischen Fähigkeiten ganz objektiv zu bewundern. Dicht hinter mir kam Weber, auch nicht viel langsamer als ich.
Ich mußte an den Zufall denken, daß mir einfach die Zeit gefehlt hatte, das Seil zu entfernen. Und Weber hatte mich deshalb auch noch einen Faulpelz genannt. Es lag mir auf der Zunge, ihn daran zu erinnern, aber dann fehlte mir doch die Luft dazu. Ich konnte froh sein, noch am Seil zu hängen.
Wir erreichten die Luke und stolperten in die Schleusenkammer. Unter uns rannten die Viecher mitten durch das Lager. Es war eine unvorstellbar große Herde, Millionen von Tieren. Die wogenden Rücken reichten bis zum Horizont. Das Schrecklichste war, daß außer dem Donnern der Hufe kein Laut zu hören war. Die Tiere schrien nicht, sondern rasten schweigend und in verbissener Wut dahin.
Der Durchmesser der Herde maß viele Kilometer, aber unser Schiff spaltete sie in zwei Teile. Die Gasse war fast zwanzig Meter breit. Das war nun das einzige Fleckchen Erde, das nicht von den Hufen berührt wurde, und wenn wir das vorher gewußt hätten, hätten wir uns den mühevollen Aufstieg in die Schleuse ersparen können.
Die Stampede dauerte eine volle Stunde, dann passierten die letzten Einzelgänger das Schiff und verschwanden in Richtung der schon lange untergegangenen Sonne. Als es ruhig geworden war, kletterten wir ins Lager hinab, um den Schaden zu begutachten, den die Viecher angerichtet hatten. Zum Glück standen die Käfige mit unseren Versuchstieren in der toten Zone und hatten nichts abbekommen. Auch mit den Zelten hatten wir Glück gehabt. Alle bis auf eines waren unbeschädigt. Alles andere jedoch war zum Teufel. Die Ausrüstung war zum größten Teil verloren, und die Vorräte lagen zertrampelt und unbrauchbar im Gras. Oder dort, wo Gras gewesen war, denn der Boden erinnerte an ein frisch umgepflügtes Feld.
Es sah ganz so aus, als sei unser Abenteuer zu Ende.
Das Zelt von Kemper und mir stand noch, also waren unsere Aufzeichnungen gerettet. Die Versuchstiere waren heil; sie und unsere Aufzeichnungen, das war somit alles, was wir noch besaßen.
»Drei Wochen!« sagte Weber. »Ich brauch' noch drei Wochen, um meine Untersuchungen zu beenden. Dann bin ich damit fertig.«
»Wir haben keine drei Wochen mehr Zeit«, erklärte ich ihm. »Unsere Nahrungsmittel sind verloren.«
»Und die Rationen im Schiff?«
»Die brauchen wir für den Rückflug.«
»Ein bißchen Hunger macht uns nichts aus.«
Er starrte uns an, einen nach dem anderen. In seinen Augen funkelte die Aufforderung, künftig zu fasten.
»Drei Wochen machen mir nichts aus«, sagte er und fügte
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