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Heyne Galaxy 10

Heyne Galaxy 10

Titel: Heyne Galaxy 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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gebadet.
    Das Wasser war grau und ölig. Barrett hatte keine rechte Erklärung für die Farblosigkeit dieser kambrischen Welt, in der Himmel, Meer und Land den gleichen monotonen Grauton angenommen hatten. Sein Auge sehnte sich nach einem Fleckchen grüner Vegetation. Ihm fehlte das Chlorophyll. Die dunklen Wellen spielten mit einem Bündel schwärzlichem Seetang; das Meer schien unendlich. Plötzlich kam ihm die Frage in den Sinn, ob der Kontinent Europa bereits existierte.
    Vielleicht standen die übrigen Landgebiete des Planeten noch unter Wasser, nachdem sich hier die ersten rotglühenden Felsen vor wenigen hundert Millionen Jahren aus dem Meer erhoben hatten. Oder war das Himalaja-Gebirge schon geboren? Und wie stand es mit den Rocky Mountains und den Anden?
    Er kannte die ungefähren Umrisse des spätkambrischen Nordamerikas, aber die übrige Welt war für ihn in Dunkel gehüllt. Und Wissenslücken dieser Art waren sehr schwer aufzufüllen, wenn die einzige Verbindung mit Oben nur einseitig funktionierte und man sich auf die willkürliche Lesestoff-Auswahl der Menschen am anderen Ende verlassen mußte. Es machte Barrett nervös, daß es Tausende von wissenschaftlichen Büchern gab, die ihm die nötigen Informationen vermitteln konnten, die für ihn jedoch unerreichbar waren.
    Während er noch seinen Blick über die Wellen wandern ließ, kam plötzlich ein Trilobit aus dem Wasser gekrochen. Er gehörte zu der spitzschwänzigen Gattung, war etwa dreißig Zentimeter lang und hatte ein purpurfarbenes Gehäuse mit borstigen Kanten. Darunter bewegten sich unzählige kleine Beine. Der Trilobit arbeitete sich landwärts, bis er sich etwa zwei Meter vom Wasser entfernt hatte.
    Hallo, dachte Barrett. Vielleicht bist du der erste, der je an Land gekrochen ist, um sich einmal umzusehen. Der Pionier, der Bahnbrecher.
    Und er überlegte, daß dieser auf Abenteuer ausziehende Trilobit vielleicht sogar der Urahn aller Landbewohner dieses Planeten war. Das war natürlich biologischer Unsinn, aber vor Barretts innerem Auge zeichnete sich plötzlich eine Entwicklungskette ab, die von den Fischen und Amphibien über die Reptilien bis zum Menschen reichte und ihren Ursprung nahm in diesem grotesk artmutenden kleinen Wesen, das sich unsicher zu seinen Füßen bewegte.
    Und wenn ich dich jetzt tottrete, was dann? dachte er.
    Eine schnelle Bewegung, ein zerbrechender Chitin-Panzer – das panische Strampeln der dünnen Beine …
    Und die ganze Evolutionskette zerbrach bereits mit ihrem ersten Glied. Da gab es plötzlich keine Landtiere mehr. Das Gewicht des Fußes veränderte die Zukunft, und ein Hawksbill- Lager hatte es niemals gegeben, und keine menschliche Rasse, und auch keinen James Edward Barrett.
    Mit einem einzigen Fußtritt hätte er sich an denen gerächt, die ihn ins ewige Exil verdammt hatten, und sich gleichzeitig ihrem Urteil entzogen.
    Doch er bewegte sich nicht. Der Trilobit beendete seine umständliche Erkundungstour und kehrte schließlich wohlbehalten in sein natürliches Element zurück.
    Die leise Stimme Don Latimers sagte: »Ich habe dich hier unten sitzen sehen. Hast du etwas dagegen, wenn ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?«
    Barrett fuhr auf. Latimer hatte sich ihm so leise genähert, daß er nichts gehört hatte. Er lächelte und bedeutete dem anderen, sich neben ihn zu setzen.
    »Willst du fischen?« fragte Latimer.
    »Ich sitze hier nur herum wie ein alter Mann, der sich an der Sonne erfreut.«
    »Du bist so weit gewandert, nur um dich zu sonnen?« Latimer lachte. »Das machst du mir nicht weis. Du hast nur allein sein wollen und bist wahrscheinlich böse, weil ich dich gestört habe.«
    »Aber ganz und gar nicht. Natürlich bleibst du hier! Was macht dein neuer Hüttenkamerad?«
    »Ich muß dir etwas berichten«, sagte Latimer. »Deshalb bin ich auch hier.« Er beugte sich vor und musterte Barrett eingehend. »Jim, sag mir die Wahrheit – glaubst du, daß ich verrückt bin?«
    »Warum sollte ich das?«
    »Ich meine die ESP-Experimente, die ich mache, die Versuche, eine andere Bewußtseins-Ebene für uns zu erschließen. Ich weiß, daß du logisch denkst und skeptisch bist. Du denkst wahrscheinlich, daß das alles völliger Blödsinn ist.«
    Barrett zuckte die Achseln und erwiderte: »Wenn du die Wahrheit hören willst – ja. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß du mit deinen Versuchen Erfolg hast, Don. Ich weiß, daß du deine Zeit und Kraft verschwendest, wenn du dich stundenlang auf deine

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