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Heyne Galaxy 10

Heyne Galaxy 10

Titel: Heyne Galaxy 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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aus? Hattet ihr euch dem Marxismus oder einem seiner Ableger verschrieben?«
    »Ich glaube, wir lagen da auf einer etwas anderen Linie. Wir glaubten an eine Art… äh, Kapitalismus mit gewissen Regierungsbefugnissen.«
    »Ein bißchen rechts vom Staatssozialismus und ein wenig links vom allgemeinen Laissez-Faire, wie?«
    »Ja, so etwa.«
    »Aber das hat man doch schon einmal in allen Phasen ohne Erfolg durchexerziert, oder täusche ich mich da? Dabei ergab sich eine zwangsläufige Entwicklung zum totalen Sozialismus, der seinerseits als Ausgleich den Syndikatskapitalismus hervorbrachte, mit einer Regierung, die sich als liberal bezeichnete, während sie gleichzeitig die Freiheiten des Individuums im Namen der Freiheit einschränkte. Wenn deine Gruppe also wirklich die Absicht hatte, den Kalender zum Jahr 1955 zurückzudrehen, kann mit euren Ideen nicht viel los gewesen sein.«
    Hahn blickte ihn gelangweilt an und sagte: »Weißt du, ich habe mich nicht gerade in den höchsten ideologischen Kreisen herumgetrieben.«
    »Dann bist du also nur als Volkswirtschaftler tätig gewesen?«
    »Genau. Ich war für die Pläne verantwortlich, nach denen das Wirtschaftssystem entsprechend unseren Vorstellungen umgeformt werden sollte.«
    »Wobei deine Arbeit auf dem modifizierten Liberalismus Ricardos basierte?«
    »Wenn man so will, ja.«
    »Und wobei du doch sicher auch die faschistische Tendenz vermeiden mußtest, die im Denken von Keyes begründet liegt?«
    »So könnte man sagen«, erwiderte Hahn und erhob sich mit einem schnellen Lächeln. »Weißt du, Jim, ich würde gern weiter mit dir über diese Dinge diskutieren, aber ich muß jetzt gehen. Ned Altman hat mich überredet, ihm bei seinem Beschwörungstanz zu helfen. Er will seinen Dreckhaufen zum Leben erwecken. Wenn du nichts dagegen hast…«
    Und Hahn zog sich hastig zurück, ohne sich ein einzigesmal umzusehen.
    Barrett wußte jetzt überhaupt nicht mehr, woran er war. Hahn hatte in keiner Weise mit ihm ›diskutiert‹, sondern lediglich ein ausgesprochen lahmes Gespräch mit ihm geführt, in dessen Verlauf er sich von Barretts Fragen hierhin und dorthin hatte schieben lassen. Und dabei war eine Menge Unsinn herausgekommen. Er schien Keyes nicht von Ricardo unterscheiden zu können, was ihm außerdem offensichtlich völlig egal war. Und das mutete bei einem Mann, der nach eigenen Angaben Volkswirtschaftler war, recht seltsam an. Er hatte nicht die geringste Vorstellung von der politischen Haltung seiner eigenen Partei und war politisch derart unvorbelastet, daß er sich nicht einmal an Hutchetts erstaunliche Sendung vor elf Jahren erinnerte.
    Irgend etwas stimmte mit ihm nicht.
    Wie war es nur möglich, daß man diesen Jungen hierher verbannt hatte? Bisher hatte man lediglich die allerwichtigsten Heißköpfe in die Vergangenheit geschickt, denn eine solche Verurteilung kam immerhin einem Todesurteil gleich und wurde nicht leichten Herzens ausgesprochen. Barrett fand einfach keine Antwort auf die Frage, warum Hahn hier war, und obwohl der Neue ehrlich bedrückt zu sein schien und wohl auch eine geliebte Frau hatte zurücklassen müssen, kam Barrett alles andere an diesem Mann nicht echt vor.
    War er – wie Latimer angedeutet hatte – doch eine Art Spion?
    Aber Barrett gab diesen Gedanken sofort wieder auf. Es hatte keinen Sinn, sich von Latimers Befürchtungen anstecken zu lassen. Es war kaum anzunehmen, daß die Regierung jemanden auf eine Einbahnfahrt in die Vergangenheit schickte, nur um einige alternde Revolutionäre im Auge zu behalten, die sowieso nichts mehr anstellen konnten.
    Aber weshalb war Hahn hier?
    Der Neue mußte weiter beobachtet werden, entschied Barrett, etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig.
    Einen Teil dieser Aufgabe übernahm er selbst; aber er verschaffte sich Hilfe. Latimer und Altman gewannen sechs oder sieben weitere Männer; bei ihnen handelte es sich zum Großteil um ambulante Psycho-Fälle, Männer, die rein äußerlich in Ordnung waren, die jedoch voller unbestimmter Ängste und Überzeugungen steckten.
    Sie alle hatten ein Auge auf den Neuen.
    Am fünften Tag nach seiner Ankunft fuhr Hahn mit Rüdiger zum Fischen. Barrett stand am Steilufer und beobachtete lange Zeit das kleine Boot, das auf den Wellen der Brandung tanzte. Rüdiger entfernte sich niemals weit von der Küste – achthundert bis tausend Meter höchstens. Trotzdem machte das Wasser den Männern viel zu schaffen. Die Wogen hatten über Tausende von Kilometern hinweg

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