Heyne Galaxy 10
scheinen. Ihr Sündenregister ist beträchtlich: Widerstand gegen die Verhaftung, Beschädigung öffentlichen Eigentums, Beleidigung von angesehenen Bürgern, Belästigung einer Dame, Diebstahl in einer Damentoilette und so weiter. Sie sind für heute versorgt, mein lieber – und für eine Reihe weiterer Tage und Nächte.«
Spöttisch winkte er mir zu und verschwand, während ich noch überlegte, ob ich zu einem Schlag ausholen sollte.
Die in meinem linken Handgelenk eingebaute Uhr ging nicht mehr; sie hatte den Kampf nicht überstanden. Die Polizisten von Granyauck haben harte Köpfe. Ich trat ans Fenster und vergewisserte mich über den Stand der Sonne.
Es schien etwa halb fünf zu sein. Um genau acht Uhr begann der Kampf, der mir langsam Sorgen machte. Es hing alles davon ab, daß ich rechtzeitig in der Arena war. Wenn ich nicht erschien, fiel der Titel automatisch dem Herausforderer zu. Bei meinem Gegner handelte es sich um einen jungen Burschen, der vom Lande stammte und sich großspurig als Maskierter Marvin bezeichnete; er kämpfte stets mit einem Mehlsack über dem Kopf. Und heute abend wurde dieser Mann in meiner Abwesenheit zum Leichtgewichtschampion gemacht, während ich mich als passe betrachten konnte: gesperrte Konten, gekündigte Verträge, abgelaufene Servo-Genehmigungen – kurz, ich hatte dann noch so rosige Zukunftsaussichten wie ein Glas Whisky bei einer Antialkoholikerversammlung. Ich war am Ende.
Es sei denn …
Ich steckte den Kopf aus dem Fenster und sah mich um. Tief unter mir leuchtete das winzige Viereck eines Hinterhofes. Ich spürte meine Automatik anschlagen; mein Herz begann zu klopfen wie ein außer Rand und Band geratener Motor, und in meinem Hals setzte sich ein dicker Klumpen fest. Für große Höhen hatte ich noch nie Sympathie gehabt. Aber mein Servo war in einer Zelle gefangen – und ich war in dem Servo gefangen…
Plötzlich brauchte ich dringend Bewegung und ging nachdenklich in dem kleinen Raum auf und ab. Mich beschäftigte ein Problem, das einem zuweilen während des Transfers zwischen zwei Servo-Körpern zu schaffen macht. Was geschah, wenn die aus Schaumplastik und Drahtschwamm bestehende Informations- Korrelations-Einheit, in der das gesamte Gehirnmuster eines Menschen gespeichert war, plötzlich vernichtet, plötzlich ausgelöscht wurde?
Sicherlich war es ein Gefühl, als stürzte man in einen bodenlosen Brunnen – und dann der Aufprall… Würde man jemals wieder erwachen? Gewiß, der Organo-Körper lag sicher und unbeschädigt in der Verwahrung, aber der Schock… Welche Wirkung mochte der Schock auf den Geist des Betroffenen haben?
Über dieses Problem kursierten unzählige Theorien. Manche vertraten die Ansicht, daß es in einem solchen Fall kein Weiterleben gab. Andere wiederum behaupteten, daß Geist und Organo- Körper sich wieder vereinigten. Ich hatte zu dieser Frage keine ausgeprägte Meinung, und wenn offizielle Stellen Näheres wußten, so gingen sie mit ihren Erkenntnissen nicht gerade hausieren.
Und es gab nur eine Möglichkeit, mir Gewißheit zu verschaffen.
Wenn ich hierblieb, war ich in jedem Fall erledigt. Da war es schon besser, einigermaßen stilvoll von der Bühne abzutreten. Ehe ich es mir anders überlegen konnte, trat ich ans Fenster und schwang die Beine hinaus. Hinter mir ertönte das aufgeschreckte Gebrüll des Wärters. Ich schloß die Augen und sprang.
Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, als wäre mir ein Tornado direkt ins Gesicht hinein explodiert; dann schien ich ausgestreckt auf einer großen, weichen Gummimatratze zu liegen.
Und dann …
5
Ich ertrank in einem Meer aus ranzigem Fett. Ich atmete tief ein, wollte schreien – und das ekelerregende Zeug in meinen Lungen verhärtete sich zu unangenehmen Klumpen.
Ich versuchte zu husten, doch auch das war mir unmöglich. Winzige Raketen begannen sich wie kleine Feuerwerkskörper auf meiner Netzhaut in Bewegung zu setzen. Dann verdichtete stich der Lichteindruck, und ich starrte auf einen langen roten Streifen an einer dunklen Decke, die sich nur wenige Zentimeter über meinem Gesicht befand. Ich spürte die Drähte und Kanülen, die am meinen Armen und Beinen zerrten, spürte meinen Nacken, meine Augenlider, meine Zunge …
Ich bewegte mich, glitt ins hellere Licht hinaus. Ein angstvoll verzerrtes Gesicht starrte auf mich herab. Ich stieß einige gurgelnde Laute hervor und bewegte die Arme – mehr brachte ich nicht fertig.
Der Mann, der sich über mich gebeugt
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