Heyne Galaxy 11
drei Uhr früh an einem Dienstag – es war eine laue Sommernacht – griffen die Außerirdischen zum erstenmal an und entleerten ihre Bombenschächte über einem friedlichen Dorf namens Waterford. Ganz offensichtlich handelte es sich nur um einen Versuchsangriff, um eine Art Reaktionstest.
Hätte der Angriff das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten umfaßt oder zumindest eine größere Stadt, wäre die Regierung wahrscheinlich schneller und durchgreifender zum Zuge gekommen. Wie die Dinge aber lagen, erfuhr Washington erst ziemlich spät von dem Waterford-Phänomen, wie es in Air-Force- Kreisen bald genannt wurde. Und als man schließlich Nachricht erhielt, wurde die Meldung zunächst in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung für UFO-Beobachtungen verwiesen und geriet an einen Dr. Condon in Colorado. Hieraus läßt sich erklären, warum das Interesse des Verteidigungsministeriums erst so relativ spät geweckt wurde.
Dafür war das Schatzamt um so aktiver. Denn die Außerirdischen hatten nicht etwa Bomben abgeworfen. Die Ladung, die auf Waterford herniedergesegelt war, bestand vielmehr aus Papier. Es handelte sich um Banknoten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Bei einem Interview mit einer großen Nachrichtenagentur vermochte der Assistent des Zweiten Staatssekretärs im Schatzamt einen ähnlichen Vorfall zu zitieren. Natürlich wüßte jeder, sagte er, daß die Deutschen im Zweiten Weltkrieg britische Banknoten gefälscht und unter anderem dazu benutzt hätten, ihre Spione zu bezahlen. Allerdings hatten die Nazis davon abgesehen, ihre Blüten über London abzuwerfen. Weniger bekannt sei es jedoch, daß auch die Vereinigten Staaten ernsthaft erwogen hätten, Berlin und andere deutsche Städte mit gefälschten Reichsmarknoten zu bombardieren. Der Assistent des Zweiten Staatssekretärs im Schatzamt sagte dem Reporter: »Präsident Roosevelt hätte sich fast überzeugen lassen. Denn welcher Arbeiter würde zehn oder zwölf Stunden am Tag in einer Fabrik verbringen, wenn er seinen Verdienst viel leichter von der Straße auflesen konnte?«
»Hört sich nach einem verdammt guten Plan an«, sagte der Reporter. »Hat Roosevelt die Sache angeordnet?«
»Er war ganz begeistert davon und rief seinen Schatzminister zu sich; Sie erinnern sich, Schatzminister war damals Henry Morgenthau. Und er sagte: ›Henry, hör dir diese famose Sache an, die sich da jemand ausgedacht hat!‹ Und dann erzählte er ihm alles. Aber Morgenthau war entsetzt und sprach sich gegen den Plan aus.«
»Wieso? War ihm das Geld derart heilig?«
»Daran wird es teilweise gelegen haben. Aber ich erinnere mich, daß Morgenthau auf die Möglichkeit hinwies, die Deutschen könnten Gleiches mit Gleichem vergelten. Es war wie die Sache mit dem Giftgas – niemand wagte sich heran!«
Aber selbst als die Nachrichten über die Ereignisse in Waterford bereits in die richtigen Kanäle flössen, ergaben sich noch Verzögerungen. Die Tatsache, daß zwei ausgesprochen mächtige Ministerien, das Schatzamt und das Verteidigungsministerium, an der Angelegenheit interessiert waren, bedeutete, daß sie auf höchster Ebene besprochen, ausgehandelt und formuliert werden mußten, ehe eine Ausführungsbestimmung für den Präsidenten vorbereitet werden konnte.
Und als es schließlich soweit war, verweigerte der Präsident die Unterschrift. Offensichtlich war er der Meinung, daß es einem Panikausbruch gleichkäme, wenn er die gesamte Wirtschaft der Vereinigten Staaten auf den Kopf stellte, nur damit die Einwohner eines winzigen Städtchens keine ungebührlichen Vorteile genossen. Ein Statistiker unter seinen Beratern stellte fest, welcher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung der USA in Waterford lebte und kam auf eine ausgesprochen winzige Zahl. Also kam man zu dem Entschluß, den Leuten in Waterford ihre Bescherung ruhig zu gönnen. In der Zwischenzeit, so kamen die Staatsgewaltigen überein, müssen wir uns zusammentun und wirksame Gegenmaßnahmen beschließen, anstatt den Fremden noch in die Hände zu spielen.
Niemand wußte zu der Zeit, daß die Außerirdischen überhaupt keine Hände hatten, sondern nur so etwas wie Tentakel besaßen – von ihren hellroten Gesichtern ganz abgesehen. Und erst viel später kam ein Beamter des Innenministeriums – das unter anderem für die staatliche Wald- und Seenpflege zuständig ist – zu dem erleuchteten Schluß, daß die Wesen mehr einem Tintenfisch als einem Menschen ähnelten. Das Schatzamt fragte sich inzwischen
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