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Heyne Galaxy 11

Heyne Galaxy 11

Titel: Heyne Galaxy 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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sich Mrs. Bellowes auf Mr. Thirkell und klammerte sich an ihn. Sie wollte und konnte diesen Mann nicht mehr loslassen, und die anderen Frauen folgten ihr wie ein Rudel junger Hunde, das seinen Herrn noch vor einer Stunde fröhlich umschwänzelt und angejault hatte und das ihn jetzt umdrängte, ihm die Ärmel zerfetzte und die asiatische Ruhe aus seinen Augen verscheuchte.
    »Mir nach!« rief Mrs. Bellowes und fühlte sich wie Madame Lafarge. »Hier hinaus! Wir haben jetzt lange genug gewartet! Er hat uns von einem Tag zum nächsten vertröstet! Jetzt wollen wir das Schiff sehen!«
    »Nein, nein, meine Damen!« schrie Mr. Thirkell und versuchte sich zu befreien.
    Wie eine Woge brachen sie durch den Hinterausgang des Gebäudes ins Freie und schleppten den armen Mr. Thirkell über das Grundstück, bis sie schließlich einen alten Sportplatz erreichten.
    »Da ist sie«, sagte jemand. »Die Rakete!«
    Und das plötzliche Schweigen war kaum zu ertragen.
    Da stand sie.
    Mrs. Bellowes sah die Rakete, und ihre Hände lösten sich von Mr. Thirkells Jackettaufschlägen.
    Die Rakete wirkte wie ein alter Kupferkessel; sie hatte tausend Beulen und Risse, ihre Düsen und Ventile waren außen und innen völlig verrostet. Die Bullaugen hatten eine dicke Staub-Schicht angesetzt und erinnerten an die Augen eines blinden Schweines.
    Die Damen stießen Seufzer der Enttäuschung aus.
    »Ist das Ihr Raumschiff EHRE SEI DEM MÄCHTIGSTEN?« rief Mrs. Bellowes entsetzt. Mr. Thirkell nickte und sah zu Boden.
    »Ist das die Rakete, für die wir tausend Dollar bezahlt haben und in der wir Gott finden wollten?« fragte Mrs. Bellowes.
    »Das Ding ist ja nicht einmal einen Sack getrocknete Erbsen wert«, sagte Mrs. Bellowes.
    »Nichts als ein armseliger Schrotthaufen!«
    »Schrotthaufen!« flüsterten die Damen mit einem Anflug von Hysterie.
    »Laßt ihn nicht entkommen!«
    Mr. Thirkell versuchte sich loszureißen, doch es umfingen ihn plötzlich tausend ungeahnte Fallen, denen nicht zu entkommen war. Er wich zurück.
    Die Damen weinten und liefen wie blinde Mäuse durcheinander und betasteten die Rakete, den zerbeulten Kessel, das verrostete Fahrzeug, das sie zu Gott hatte tragen sollen.
    »Nun«, sagte Mrs. Bellowes und trat in die Luftschleuse des alten Schiffes. »Es sieht so aus, als ob man uns hereingelegt hätte«, wandte sie sich an die anderen Damen. »Ich habe kein Geld mehr für die Rückkehr zur Erde, und ich bin zu stolz, um mich an die Regierung zu wenden und einzugestehen, daß uns ein Mann wie der da um unsere Ersparnisse betrogen hat. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber wir sind wohl hierhergekommen, weil wir alt sind – ich fünfundachtzig, Sie neunundachtzig und Sie achtundsiebzig. Wir alle haben eine stattliche Anzahl von Jahren gelebt; die Erde birgt nur noch wenig Neues für uns, und mit dem Mars scheint es nicht anders zu sein. Wir alle glauben nicht, daß wir noch lange atmen oder noch gar zu viele Topflappen häkeln werden – oder wir wären jetzt nicht hier. Was ich Ihnen also vorzuschlagen habe, ist ganz einfach! Wir wollen unsere Chance!«
    Und sie streckte den Arm aus und berührte die rostige Außenhülle des alten Schiffes.
    »Das hier ist unsere Rakete. Wir haben für die Reise bezahlt. Und wir werden sie uns nicht entgehen lassen!«
    Die Damen stellten sich auf die Zehenspitzen und reckten erstaunt die Hälse. Mr. Thirkell begann sehr wirkungsvoll zu weinen, was ihm nicht schwerzufallen schien.
    »Wir werden jetzt dieses Schiff besteigen«, sagte Mrs. Bellowes, ohne sich um ihn zu kümmern, »und wir werden starten, wie wir es uns vorgenommen hatten.«
    Mr. Thirkell unterbrach sein Weinen und sagte: »Aber es ist alles Täuschung! Ich kenne mich im Weltall überhaupt nicht aus! Gott ist überhaupt nicht da draußen. Ich habe gelogen. Ich weiß nicht, wo Er sich aufhält, und selbst wenn ich wollte, könnte ich ihn nicht finden. Sie sind selber schuld, daß Sie mir geglaubt haben.«
    »Ja«, sagte Mrs. Bellowes, »wir sind selber schuld, das läßt sich nicht mehr ändern. Aber Sie können uns das nicht zur Last legen, denn wir sind alt, und es war ein guter, ein herrlicher Plan, einer der schönsten Pläne auf der ganzen Welt! Oh, ich will damit nicht sagen, daß wir wirklich geglaubt haben, Ihm wirklich näherzukommen, wir träumten nur eben einen Traum, wie ihn alte Leute gern träumen, einen Traum, der einen nur wenige Minuten täglich beschäftigt, auch wenn man weiß, daß er gar nicht wahr ist.

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