Heyne Galaxy 13
retten zu können. Aber ich mußte bald meine Bemühungen aufgeben. Es war inzwischen dunkel geworden, ich hielt ihn in den Armen, und erst als er kalt zu werden begann, merkte ich, daß er nicht mehr am Leben war. An diesem Abend verwandelte ich mich in den Mann, den mein Onkel immer aus mir zu machen versucht hatte. Etwas starb in mir. Dave und meine Schwester wären meine Familie gewesen, die einzige Familie, die ich im Leben wahrscheinlich gehabt hätte. Statt dessen konnte ich nur dort in der Dunkelheit sitzen und auf das Fallen der Blutstropfen lauschen.
Jetzt lag ich in der Dunkelheit auf meinem Feldbett und versuchte, die Erinnerung zu vertreiben. Nach einiger Zeit hörte ich das Fußgetrappel der Soldaten, die im Hof zum Mitternachtsgottesdienst antraten.
Ich lag auf dem Rücken und lauschte. Die Schritte verstummten. Die Geräusche der Nacht drangen durch das Fenster über meinem Bett herein, und der schwache Schimmer der Hoflampen bildete auf der gegenüberliegenden Wand ein helles Rechteck. Ich betrachtete diesen Fleck und verfolgte den Gottesdienst und hörte den diensthabenden Offizier ein Gebet anstimmen. Dann wurde wieder die Kampfhymne gesungen, die ich diesmal bis zum Schluß anhörte.
Soldat – frag weder jetzt noch jemals,
Wo sich zum Kampf die Fahne richt'.
Des Anarchs Horden sind gerüstet,
Schlag zu und zähl die Gegner nicht!
Nein, Ruhm und Ehre, Lob und Beute
Sind Tandzeug nur und totes Glück.
Gebt euer Bestes ohne Fragen,
Und weltlich Streben laßt zurück!
Unendlich Schmerzen, Blut und Leiden
Sind unser aller Lasten groß.
Das Schwert des Gegners pack ohn' Zögern
Und freudvoll zieh das Todeslos.
So werden wir, gesalbte Kämpfer,
Dann vor dem höchsten Throne knien,
Getauft mit unsrer Wunden Blute,
Das wir geweiht dem Herrn – nur ihm!
Der Gottesdienst war zu Ende, und die Männer gingen auseinander.
Ich lag auf meinem Bett und lauschte auf die Stille draußen auf dem Platz und auf das langsame und eintönige Tropfen einer überfließenden Regenrinne.
4
Ich hatte mir für meine Ankunft auf St. Marie den letzten Regentag des Winters ausgesucht. Jetzt begannen die Felder auszutrocknen und mochten bald fest genug sein, um schweres Kriegsmaterial auszuhalten. Es war kein Geheimnis, daß dann eine exotenische Offensive zu erwarten war.
In den nächsten Wochen war ich vorwiegend mit meiner journalistischen Arbeit beschäftigt, wobei es sich zumeist um kleinere Berichte über die Soldaten und die Eingeborenen handelte. Ich versandte Lageberichte und versuchte Verbindungen anzuknüpfen, da ein Korrespondent nur so gut ist wie seine Kontakte. Nur bei den Freundler-Truppen gelang mir das nicht recht, denn die Soldaten waren sehr zurückhaltend, obwohl ich mich mit vielen unterhielt. Jedenfalls zeigten sie weder Furcht noch Zweifel.
Ich hatte angenommen, daß die Freundler-Soldaten im allgemeinen nur unzureichend ausgebildet waren, weil die selbstmörderische Taktik ihrer Offiziere ein schnelles Nachrücken relativ unerfahrener junger Soldaten zur Folge hatte. Doch die Soldaten, auf die ich hier traf, waren Angehörige eines Expeditionskorps, das ursprünglich sechsmal so groß gewesen war, und obwohl sie ausnahmslos noch jung waren, mußten sie doch als Veteranen des Krieges angesehen werden. Nur hier und da stieß ich auf den Prototyp des Unteroffiziers, der auf der Neuen Erde die Erschießung der Gefangenen befohlen hatte. Die Männer dieses Typs wirkten hier auf St. Marie wie hungrige, graue Wölfe in einer Schar höflicher wohlerzogener junger Hunde, die gerade dem Welpenalter entwachsen sind.
Der Gedanke, daß ich es im Grunde nur auf diese Männer abgesehen hatte, war eine Versuchung.
Um sie niederzukämpfen, erinnerte ich mich daran, daß Alexander der Große bereits im Alter von sechzehn Jahren Expeditionen gegen die Hügelstämme geführt, Pella, die Hauptstadt von Mazedonien, unter seine Herrschaft gebracht und Todesurteile vollstreckt hatte. Aber trotzdem wirkten die Freundler-Soldaten unnatürlich jung. Unwillkürlich verglich ich sie mit den älteren, erfahrenen Söldnern in Kensie Graemes Truppe. Die Exotener warben grundsätzlich keine Soldaten an, die ihre Uniform nicht freiwillig trugen.
Ich hatte noch nichts von der Blauen Front gehört. Nach zwei Wochen hatte ich nun meine eigenen Verbindungen in Neu San Marcos, und zu Beginn der dritten Woche hörte ich durch einen dieser Kanäle, daß der Juwelierladen in der Wallace Street
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