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HHhH

HHhH

Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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x-beliebigen Mann beschuldigt hätte.
    Heydrich besitzt Einfallsreichtum, ein Vorteil in seinem Beruf, doch sein aktuelles Ränkespiel erforderte zudem einen Grad an Perfektionismus, den er in dieser Affäre nicht aufbrachte. Trotzdem hätten seine Vorbereitungen beinahe ausgereicht.
    In den Büroräumen der Reichskanzlei wird der Freiherr vor Göring und Hitler höchstpersönlich mit dem Erpresser konfrontiert, von dem es später heißt, er habe einen völlig degenerierten Eindruck gemacht. Der hochmütige Freiherr lässt sich nicht dazu herab, sich zu den Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht werden, zu äußern. Doch ein auf Würde bedachtes Auftreten wird in der Führungsriege des Dritten Reiches nicht gerade mit Wohlwollen betrachtet. Hitler fordert Fritsch auf, sein Amt augenblicklich niederzulegen. Bis hierhin verläuft alles wie geplant.
    Doch Fritsch weigert sich. Er verlangt, die Angelegenheit vor ein Militärgericht zu bringen. Auf einmal steht Heydrichs Intrige auf extrem wackligen Beinen. Das Militärgericht einzuschalten würde bedeuten, dass vorab eine Befragung durchgeführt wird, und zwar nicht durch die Gestapo, sondern von der Armee selbst. Hitler zögert. Er hat genauso wenig Interesse an einem vorschriftsmäßig durchgeführten Prozess wie Heydrich, doch zu diesem Zeitpunkt fürchtet er sich noch ein wenig vor der Reaktion der alten Militärkaste, sollte Fritsch ein solcher Prozess verweigert werden.
    Innerhalb weniger Tage wendet sich dann das Blatt: Die Ermittler kommen nicht nur der Wahrheit auf die Spur, es gelingt ihnen zudem, die beiden Hauptzeugen in der Angelegenheit, den Erpresser und den Kavallerieoffizier, den Fängen der Gestapo zu entreißen. Heydrichs Plan ist aufgeflogen, und sein Kopf steckt schon fast in der Schlinge. Wenn Hitler dem Prozess zustimmt und die Täuschung ans Licht kommt, wird Heydrich entlassen, und seine Karriere ist beendet. Damit wäre er wieder an fast demselben Punkt angelangt wie 1931 nach seinem Rauswurf aus der Marine.
    Diese Aussichten setzen Heydrich ordentlich zu. Der eiserne Henker wird zur gehetzten Beute. Schellenberg, seine rechte Hand, erinnert sich, wie Heydrich während dieser Krise im Büro einmal verlangte, ihm eine Waffe zu bringen. Der Chef des SD befindet sich in arger Bedrängnis.
    Doch er hat zu Unrecht an Hitler gezweifelt. Letztlich wird Fritsch aus Gesundheitsgründen in Zwangsurlaub geschickt. Keine Entlassung, kein Prozess, alles ist ganz einfach, und alle Probleme sind gelöst. Heydrich hatte von vornherein gute Karten: Er verfolgte die gleichen Absichten wie Hitler, der schon längst beschlossen hatte, das Kommando über die Armee an sich zu reißen; Fritsch musste deshalb um jeden Preis aus dem Weg geräumt werden, so sah es der unerschütterliche Wille des Führers vor.
    Am 5. Februar 1938 meldete der Völkische Beobachter in dicken Lettern:
    «Stärkste Zusammenfassung aller Macht in den Händen des Führers.»
    Heydrich hatte keinen Grund mehr zur Besorgnis.
    Der Prozess findet letzten Endes trotzdem statt, doch in der Zwischenzeit hat sich die Machtverteilung drastisch verschoben: In ihrer Euphorie über den Anschluss verneigt sich die Armee vor dem Genie des Führers und verzichtet fortan darauf, ihm Steine in den Weg zu legen. Fritsch ist aus dem Dienst ausgeschieden, der Erpresser wird liquidiert, und die Sache ist Geschichte.

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    In puncto Sitten versteht Hitler keinen Spaß. Seit den «Nürnberger Gesetzen» von 1935 sind Sexualkontakte zwischen einem Juden und einer Arierin offiziell verboten, und kein Arier darf eine sexuelle Beziehung zu einer Jüdin unterhalten. Bei Zuwiderhandlung droht eine Gefängnisstrafe.
    Erstaunlicherweise kann aber nur der Mann strafrechtlich verfolgt werden. Hitler wollte anscheinend, dass die Frau, ob Jüdin oder Arierin, keine juristischen Konsequenzen erfährt.
    Doch Heydrich, päpstlicher als der Papst, sieht die Sache anders. Diese Art der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen verletzt offenbar sein Gerechtigkeitsempfinden (allerdings nur für den Fall, dass es sich bei der Frau um eine Jüdin handelt). 1937 gibt er daher die vertrauliche Anweisung an die Kripo und die Gestapo, dass jede Schuldsprechung eines Deutschen aufgrund einer Beziehung zu einer Jüdin automatisch zur Verhaftung seiner Partnerin und zur diskreten Deportation in ein Konzentrationslager zu führen habe.
    Wenn ihr Führer die Nazioberen ausnahmsweise zur Mäßigung anhielt, hatten sie offenbar keine

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