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zugleich derjenige, der am ehesten fähig gewesen wäre, einen Krieg gegen Deutschland zu führen. Die totale Desorganisation der Roten Armee, die im Juni 41 von der deutschen Invasion überrumpelt wurde, ist das letzte Kapitel dieser düsteren Geschichte. Schlussendlich erzielte Heydrich einen Volltreffer, indem er Stalin den Ball zuspielte, der daraufhin ein Eigentor schoss. Und während Stalin eine nie da gewesene «Säuberungsaktion» startet, lacht sich Heydrich ins Fäustchen. Jedem das Seine, wenn ich so sagen darf.

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    Ich bin dreiunddreißig, schon deutlich älter als Tuchatschewski 1920. Heute ist der 27. Mai 2006, der Tag, an dem sich das Attentat auf Heydrich jährt. Natachas Schwester heiratet heute. Ich wurde nicht zur Hochzeit eingeladen. Natacha behandelt mich in letzter Zeit wie den letzten Dreck, ich glaube, sie hat genug von mir. Mein Leben gleicht einem Trümmerhaufen. Ich frage mich, ob Tuchatschewski sich schlechter fühlte als ich, als ihm klar wurde, dass er die Schlacht verloren hatte, als er die Niederlage seiner Armee mit ansehen und sich eingestehen musste, auf ganzer Linie versagt zu haben. Ich frage mich, ob er wusste, dass er erledigt war, am Ende, durch den Fleischwolf gedreht. Ob er das Schicksal beklagte, die Widrigkeiten. Ob er denen, die ihn verraten hatten, die Schuld gab oder sich selbst. Auf jeden Fall weiß ich, dass er sich wieder aufraffte. Das ist ermutigend, selbst wenn es nur dazu führte, dass er fünfzehn Jahre später von seinem ärgsten Feind vernichtet wurde. Das Leben geht weiter, sage ich mir. Natacha ruft nicht zurück. Ich befinde mich im Jahr 1920, vor mir erzittern die Mauern von Warschau, und zu meinen Füßen plätschert unbeeindruckt die Weichsel dahin.

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    Letzte Nacht träumte ich, wie ich das Kapitel über das Attentat verfasste. Es begann so: «Ein schwarzer Mercedes wand sich wie eine Schlange die Straße entlang.» Da begriff ich, dass ich jetzt damit anfangen muss, den Rest zu erzählen, denn er wird mich zu dieser entscheidenden Episode hinführen. Wenn ich der Verkettung von historischen Ereignissen in jede Verästelung folge, zögere ich den Moment, der Sache wirklich ins Gesicht zu blicken, und damit das Paradestück des Romans, die entscheidende Szene, endlos hinaus.

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    Man stelle sich eine Weltkarte vor, auf der Deutschland von mehreren konzentrischen Kreisen umgeben ist. An jenem Nachmittag des 5. November 1937 legt Hitler den Armeeführern Blomberg, Fritsch, Raeder und Göring sowie seinem Reichsaußenminister Neurath sein Projekt vor. Ziel der Politik Deutschlands, ruft er ihnen in Erinnerung (und ich glaube, das hat mittlerweile jeder verstanden), sei die Sicherheit der Rassengemeinschaft, die Absicherung ihrer Existenz und die Förderung ihrer Entwicklung. Es sei somit eine Frage des berüchtigten Lebensraums, und hier kommen unsere Kreise auf der Weltkarte ins Spiel. Man beginnt nicht mit dem kleinsten und arbeitet sich zum größten vor, um auf einen Blick die Expansionspolitik des Deutschen Reiches zu erfassen, sondern man wandert vom größten zum kleinsten, um zu verfolgen, wie sich die Schlinge immer enger um die ersten Angriffspunkte des deutschen Wüterichs zusammenzieht. Aus Gründen, die er für nicht erwähnenswert hält, befindet Hitler, dass die Deutschen Anspruch auf einen größeren Lebensraum haben als andere Völker. Die Zukunft Deutschlands hängt einzig und allein von der Lösung des Problems ab, die dieses Expansionsbedürfnis mit sich bringt. Wo findet man solchen Raum? Nicht in irgendeiner weit entlegenen afrikanischen oder asiatischen Kolonie, sondern im Herzen Europas – ein Kreis wird um den alten Kontinent gezogen, in direkter Nachbarschaft des Reiches –, der Kreis umgibt jetzt nur noch Frankreich, Belgien, Holland, Polen, die Tschechoslowakei, Österreich, Italien und die Schweiz, außerdem Litauen, wenn man sich an den ehemals deutschen Zipfel erinnert, der sich von Danzig bis zur Memel erstreckt und die baltischen Staaten verbindet. Hitler will wissen, wo Deutschland mit geringstmöglichem Einsatz den größten Gewinn erzielen kann. Frankreichs mutmaßliche militärische Macht und die Verbundenheit mit Großbritannien schließen das Land aus dem Kreis aus, damit entfallen auch Belgien und Holland, weil sie für den französischen Führungsstab von strategischem Interesse sind. Italien unter Mussolini kommt selbstverständlich nicht in Frage. Bei einer Ausbreitung Richtung Osten über Polen und die